MenschenGesichter Teil 18: Ein Bild von einem Kaiser


mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum, Zürich

Warum galt der Kopf jahrhunderte-, nein, jahrtausendelang als das Motiv einer Münzseite schlechthin? Und warum hat sich dies in den letzten 200 Jahren geändert? Das fragt Ursula Kampmann in ihrem Buch „MenschenGesichter“, dem die Texte unserer Serie entnommen sind.

Römische Kaiserzeit. Constantinus I. (307-337). Solidus, Trier, 314. Kopf des Constantinus mit Lorbeerkranz n. r. Rs. Constantinus, rechts stehend, als Feldherr gekleidet, hält gemeinsam mit der links von ihm sitzenden Göttin Roma mit Helm, Schild und Speer den Weltenball in der Hand. © MoneyMuseum, Zürich.

Woher wissen wir eigentlich, wie ein Mensch vor 2000 Jahren war? Ob er gut war oder schlecht, fromm oder gottlos, sparsam oder verschwenderisch? Selbst heute tun wir uns schwer, das Wesen eines Zeitgenossen zu ergründen, und doch scheinen wir das Innenleben mancher römischer Kaiser besser zu kennen als die Gefühle unserer Mitmenschen.

Constantinus, genannt der Große, ist so ein Fall. Wir glauben zu wissen, dass er fromm war, dass er sich als Werkzeug des einzigen, christlichen Gottes fühlte und dass er besessen war von dem Wunsch, den Christen den Weg an die Macht zu ebnen. Aber wissen wir das wirklich?

Wir besitzen zur Person des Constantinus unzählige Zeugnisse von antiken Historikern. Doch diese Historiker waren Christen und die interpretierten die Geschichte ganz in ihrem Sinne: Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft würde das Reich Gottes kommen, und einen Menschen musste man danach beurteilen, inwieweit er dies gefördert oder verhindert hatte. Gut war, wer förderte, schlecht, wer hinderte. Wer gut war, war durch und durch gut, der Schlechte durch und durch schlecht.

So schrieben die Geschichtsschreiber zum Beispiel die Gleichstellung des Christentums mit den anderen Religionen Constantinus zu. Sie erfanden zu diesem Zweck das Mailänder Toleranzedikt, das heute noch durch unsere Schulbücher geistert. Tatsächlich aber hatte der Mitkaiser von Constantinus, Galerius, bereits 311 die Christenverfolgungen beendet und den Christen die Gleichstellung gewährt.

Johann Lingelbach, Schlacht an der Milvischen Brücke, etwa 1650. Quelle: Wikicommons.

Oder das Gerücht, Constantinus habe sich nach der gewonnenen Schlacht an der Milvischen Brücke zum Christentum bekannt, weil ihm davor in einem Traum ein christliches Kreuz erschienen sei. Erstens überliefern andere Geschichtsschreiber auch von Gegnern des Constantinus christliche Träume, ohne sie deswegen gleich zu Christen zu stempeln. Und zweitens: Wenn der Kaiser ein Christ war, dann wohl der merkwürdigste der ganzen Gemeinde. Er ließ sich auf seinen Münzen nämlich auch noch nach dem denkwürdigen Traum mit seinem persönlichen Schutzgott, der unbesiegten Sonne, darstellen. Ja, wir kennen aus dieser Zeit sogar eine Inschrift, in der er einer Stadt erlaubte, ihn selbst als Gott zu verehren.

Dies sind nur zwei Beispiele dafür, wie vorsichtig wir sein müssen, wenn wir die Urteile von antiken und modernen Geschichtsschreibern übernehmen. Viele Autoren verfolgen eine eigene Absicht und interpretieren deshalb die Taten eines Menschen so, dass es in ihr eigenes Weltbild passt. Jede Epoche schreibt ihre Geschichte wieder neu.

In der nächsten Folge berichten wir über den Neffen Constantinus’ des Großen, Iulianus, der gar nicht nach seinem Onkel schlug, sondern sich vehement gegen die Christen stellte und den alten Glauben stärkte.

Alle Teile der Reihe finden Sie hier.

Das Buch „MenschenGesichter“ gibt es in gedruckter Form und als ebook auf der Seite des Conzett Verlages.