Türkischer Frühling – Teil 5

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von Ursula Kampmann

23. Mai 2013 – Es gibt ein sizilianisches Sprichwort: Nur Esel und Touristen gehen mittags in die Sonne. Aber uns bescherte die Mittagszeit die Gelegenheit, Pergamon in schönster Einsamkeit zu erleben.

Donnerstag, 25. April 2013
Ich habe zu Pergamon ein ganz eigenes Verhältnis. Schließlich habe ich meine Dissertation über das kaiserzeitliche Pergamon geschrieben, über seine Homonoia-Verbindungen um ganz genau zu sein. Nun, ich stellte meine Doktorarbeit fertig, während ich schon Vollzeit arbeitete. Es war eine Tortur, beides miteinander zu vereinen. Und so habe ich zu Pergamon ein gespaltenes Verhältnis. Einerseits ist es mir wegen der Beschäftigung mit seiner Geschichte ans Herz gewachsen. Andererseits hatte ich zeitweise das Wort „Pergamon“ derart satt, dass ich es nicht mehr hören konnte. Es wäre also durchaus eine Überlegung wert gewesen, an Pergamon einfach vorbei zu fahren. Aber das haben wir dann doch nicht geschafft. Und Athena hat es belohnt …

Steinkauz, mitten am Tage am Eingang von Pergamon auf uns wartend. Foto: KW.

Sie schickte uns nämlich einen kleinen Gruß: Ein Steinkauz saß mitten am hellichten Tage am Eingang und wartete auf uns. So unzufrieden kann die Göttin der Weisheit mit meiner Dissertation also nicht gewesen sein.

Seilbahn hinauf zum Burgberg von Pergamon. Foto: KW.

Aber fangen wir am Anfang an. Wir waren doch einigermaßen überrascht, dass es inzwischen verboten ist, hinauf auf den Burgberg von Pergamon zu fahren. Stattdessen gibt es jetzt eine Seilbahn, bei der die Tausenden von Touristenbusse, die im Sommer täglich eine hohe fünfstellige Zahl an Touristen ausspucken, ihre Gruppen in Gondeln verladen.

Blick vom Asklepieion auf die Stadt. Foto: KW.

Wir mussten nicht warten und hatten eine Gondel für uns alleine, da wir am morgen ein wenig spät aufgebrochen waren und keine Eile an den Tag gelegt hatten, unser Ziel zu erreichen.

Pergamon. Commodus, 180-192. Medaillon. Rv. Herakles n. l. sitzend, die Hand nach Auge ausstreckend. Gorny & Mosch 196 (2011), 3202. Ob es um sich eine zeitgenössische Prägung oder eine neuzeitliche Nachahmung handelt, ist nicht geklärt.

Wie jede ordentliche griechische Stadt hat auch Pergamon einen Gründungsmythos: Der König von Tegea hatte in Delphi ein Orakel erhalten, dass der Sohn seiner Tochter Auge die eigenen Brüder töten würde. Um dies zu verhindern, machte er das Mädchen zur keuschen Priesterin im Athenatempel, wo Herakles mehr als ein Auge auf sie warf. Auge gebar ihm einen Sohn, den sie Telephos nannte. Natürlich war ihr Vater von dieser Entwicklung nicht begeistert. Die Tochter wurde auf einer Barke im Meer ausgesetzt …

Damaskos (Syrien). Philippus Arabs, 244-249. Bronze. Rv. Hirschkuh säugt den Telephos. Münzen und Medaillen 20 (2006), 621.

… den Sohn brachte man ins Gebirge, wo ihn keine Wölfin, sondern eine Hirschkuh säugte. Erwachsen geworden, fand er seine Mutter beim kinderlosen König Teuthras in Mysien wieder. Beinahe wäre der Sohn noch Gatte der Mutter geworden, doch eine Schlange verhinderte dies, indem sie zwischen den beiden ins Bett kroch. Mutter und Sohn erkannten sich, Telephos fand seinen Platz am Hof – und sah sich in den trojanischen Krieg verwickelt, da sich die Griechen auf dem Weg zum eigentlichen Kriegsziel ordentlich versegelt hatten. Sie kämpften gegen die Teuthranier, wurden von Telephos besiegt, der trug aber eine Wunde vom Speer des Achilleus davon. Wieder gab es ein Orakel, das zum einen sagte, dass Telephos nur durch den geheilt werden könne, der ihm die Wunde zugefügt habe, und dass Telephos zum Führer nach Troia vorbestimmt sei. Telephos kidnappte daraufhin den Orest, und zwang dessen Papa Agamemnon, Achilles zu zwingen, ihn zu heilen. Dies gelang erst, als Odysseus auf die schlaue Idee kam, dass nicht Achill Telephos heilen könne, wohl aber abgeschabter Rost von dessen Speer (was das über den Zustand der Waffen der Helden vor Troia aussagt, ist meines Wissens bis heute nicht wissenschaftlich untersucht). Die Heilung gelang. Telephos führte die Griechen nach Troia, wollte aber nicht an deren Krieg teilnehmen, da seine Gattin eine Schwester des Priamos war. Er kehrte heim und gründete Pergamon; womit wir wieder beim Thema wären.

Pergamon. Gongylos(?). Diobol, um 420. Rv. Satrapenkopf mit Tiara n. r. Gorny & Mosch 207 (2012), 278.

Für uns erstmals historisch greifbar wird Pergamon in der Anabasis Xenophons. Seine Zehntausend fanden dort im Jahr 399 bei der Witwe des Gongylos gastliche Aufnahme.

Pergamon. Herakles, Sohn Alexanders des Großen, + 309(?). Goldstater, vor 309. Lanz 149 (2010), 172.

Bedeutend wurde das stark befestigte Pergamon in hellenistischer Zeit. Alexander hatte die Perserin Barsine mit dem Recht des Siegers vergewaltigt (auch wenn Historiker das meist verschämt mit „zu seiner Geliebten gemacht“ umschreiben). Resultat war ein Sohn, den Alexander – bescheiden wie immer – Herakles nannte. Ihn brachte er in Pergamon unter. Natürlich wurde dieser Sohn wichtig, als Alexander ohne rechtmäßigen Erben starb. Polyperchon benutzte den 18-Jährigen, um mit ihm die Machtstellung Kassanders zu bedrohen, der eben erst Alexander IV., Sohn der Roxane, umgebracht hatte. Kassander lenkte ein, trat an Polyperchon die Herrschaft über die Peloponnes ab, und als Zeichen des neu gewonnenen Friedens wurden Herakles und Barsine ermordet.

Seleukos I. Tetradrachmon um 280, Pergamon. Gorny & Mosch 204 (2012), 1584.

In den Diadochenkämpfen gewann Lysimachos Macht und Einfluss in Mysien. Pergamon war dabei ein wichtiger Rückhalt. Lysimachos vertraute es einem ehemaligen Anhänger des Antigonos Monophtalmos an, Philhetairos aus Tieion am schwarzen Meer. Er dürfte nach 301 in sein Amt eingesetzt worden sein. Eine seiner Aufgaben war die Bewachung der Beute, die Lysimachos gemacht hatte. 9.000 Talente Silber waren in Pergamon gelagert. Und der treue Philhetairos wachte fast zwanzig Jahre über diesen Schatz, bis er wegen Intrigen der jungen Frau des Lysimachos, Arsinoe II., später in dritter Ehe Schwestergemahlin von Ptolemaios II., revoltierte und sich 282 mit Burg und Schatz dem Seleukos unterwarf.

Philhetairos für Seleukos. Tetradrachmon, ca. 269/8-263. Lanz 125 (2005), 342.

Lysimachos wurde 281 von Seleukos bei Kurupedion besiegt. Doch auch Seleukos lebte nicht mehr lange. Ptolemaios Keraunos, zweiter Gemahl der eben erwähnten Arsinoe und gleichzeitig ihr Halbbruder, ermordete ihn. Und Philhetairos gelang es, sich mit seiner Burg und den 9.000 Talenten selbstständig zu machen. Er gründete eine Dynastie.

Eumenes I., 263-241. Tetradrachme. Künker 216 (2012), 373.

Seine Nachfolger dankten es ihm, indem sie sein Porträt auf ihre Münzen setzten. Philhetairos hatte selbst keine Kinder. Die antiken Quellen behaupteten, weil er ein Eunuch gewesen sei. Muss nicht so gewesen sein. Nichtsdestotrotz wurden die Attaliden auch deshalb groß, weil der Familienzusammenhalt zwischen ihnen funktionierte. Eumenes I. war ein Neffe von Philhetairos. Attalos I. war ein Großneffe von Eumenes I. In der dritten Generation gab es dann tatsächlich einmal Söhne: Erst der Älteste, Eumenes II., dann der Zweitälteste Attalos II.

Toter Gigant. Teil des sog. Kleinen Attalischen Weihgeschenks, das Attalos II. für die Athener Akropolis stiftete. Neapel. Foto: KW.

Eumenes und Attalos, sie waren Meister in der hohen Kunst, mit dem misstrauischen und gierigen Senat von Rom zu kooperieren. Pergamon behielt seinen Status als Freund der Römer. Das brachte ihm einiges an Gebietszuwächsen ein. Pergamon beerbte die größeren, bedeutenderen hellenistischen Geschlechter als Trittbrettfahrer des römischen Erfolgs.

Aristonikos als Eumenes III. Kistophor, 131/130. Lanz 117 (2003), 293.

Auf Attalos II. folgte Attalos III. – kein Sohn (obwohl es welche gegeben hätte), sondern wieder einmal ein Neffe. Dem war  in der Antike keine gute Presse beschieden. Weltfern sei er gewesen, habe lieber Giftkräuter gezüchtet, als sich dem politischen Tagesgeschäft zu widmen, und so weiter. Tatsächlich aber war das Testament dieses Eigenbrötlers eine Meisterleistung an Realitätssinn. Er setzte nämlich die Römer als seine Erben ein. Die sollten dafür sorgen, dass sein Reich ohne Blutvergießen in die Hände des Nachfolgers kam.
Natürlich klappte das nicht. Ein Usurpator namens Aristonikos sammelte als Eumenes III. die Menschen hinter sich, die sich von den Römern keine Verbesserung ihrer Lage versprachen. Es kam, wie es kommen musste: Die Römer siegten, die Aufständischen gingen ohne Glanz und Gloria unter, der Schatz der Attaliden half, die römischen Börsen zu füllen.

Pergamon. Kistophor, nach 133. Gorny & Mosch 212 (2013), 1729.

Aus dem Kerngebiet des pergamenischen Reichs wurde die Provinz Asia, eine der reichsten Regionen, die Rom jemals steuerlich ausquetschen sollte. Das Verwaltungszentrum wurde verlegt. Pergamon verlor seinen bevorzugten Status als Hauptstadt an Ephesos, das für die Römer verkehrstechnisch günstiger lag. Es waren harte Zeiten für Pergamon. Immer wieder galt es die Habsucht der Stadthalter zu befriedigen oder einen Bürgerkrieg zu finanzieren. Erst die Herrschaft des Augustus brachte hier eine angenehme Abwechslung.

Pergamon. Claudius. Cistophor. Rv. Neokorie-Tempel des Augustus. Künker 226 (2013), 747.

Augustus machte Asia zur senatorischen Provinz. Eine besondere Ehrung bestand darin, dass nur ein ehemaliger Konsul hier als Statthalter dienen sollte. Außerdem gestattete er den Bau eines Tempels zu seinen und der Göttin Roma Ehren, der als Versammlungsort des Landtages von Asia dienen sollte. Dieser Landtag hatte zwar nicht wirklich große politische Bedeutung, konnte aber immerhin Gesandtschaften an den Kaiser im Namen aller Städte von Asia schicken, die sich zum Beispiel über die Amtsführung eines Statthalters beschweren durften. Pergamon wurde als Standort dieses ersten Kaisertempels ausgewählt – und erhielt den klingenden Titel Neokoros: Tempelwächter.

Pergamon. Elagabal, 218-222. Rv. Preistisch mit Preiskronen. Gorny & Mosch 195 (2011), 332.

Um die Mitte des 3. Jahrhunderts wohnten rund 120.000 Menschen in Pergamon. Und dazu kamen die vielen Besucher, die Heilung im benachbarten Asklepiosheiligtum suchten. Pergamon war wohlhabend, und das bis in die byzantinische Zeit. Kurzfristig bestieg sogar ein Pergamener den Kaiserthron: Philippicus Bardanes. Doch 716 fiel Pergamon an die Araber. Zwar konnte die Stadt zurückgewonnen werden, aber sie erholte sich nie mehr von den Plünderungen. Wie man die Gegend einschätzte, zeigt eine kleine historische Randnotiz: 1056 bestimmte man Pergamon zum Verbannungsort eines Usurpators, was nicht dafür spricht, dass es dort damals sehr angenehm gewesen sein kann. Um 1334/5 fiel Pergamon dann endgültig an das Osmanische Reich, unter dem es in die Bedeutungslosigkeit absank.

Blick auf den ehemaligen Athenatempel. Foto: KW.

Kulminationspunkt der Geschichte von Pergamon ist der Burgberg, der den Mittelpunkt jeder Besichtigung bildet. Viele Reisegruppen begnügen sich damit, einmal vom Eingang zum Traianstempel zu laufen; dann einen kurzen Blick auf den Platz zu werfen, wo einst der Altar von Pergamon gestalten hat. Und damit ist die Angelegenheit erledigt (wenn man vom obligatorischen Besuch in einer Teppichfabrik absieht). Nun, wir nahmen uns mehr Zeit, auch wenn wir natürlich bei weitem nicht alles sahen, was in Pergamon inzwischen freigelegt ist.
Wir gingen zunächst zu den Fundamenten des Athenatempels, dort wo einst die berühmte Bibliothek stand. 200.000 Buchrollen waren einst in ihren Regalen gestapelt. Marcus Antonius machte sie im Jahre 41/40 der ägyptischen Königin Kleopatra zum Geschenk.

Das Theater von Pergamon, perfekt in den Hang eingepasst. Foto: KW.

Von hier aus hat man einen wundervollen Blick auf das Theater der Stadt, …

Hardun, auch Schleuderschwanz genannt. Foto: KW.

… den auch Reptilien gerne genießen. Bei diesem rund 40 cm großen Reptil handelt es sich übrigens um einen Hardun (Laudakia stellio), auch Schleuderschwanz genannt. Anfassen sollte man diese wehrhaften Tiere besser nicht, weil sie kräftig kratzen und beißen können.

Fundamente des Traiantempels. Foto: KW.

Durch die eindrucksvollen Fundamente des Traiantempels – trotz der nur wenigen Touristen war es nicht leicht, diese Aufnahme ganz ohne Menschen zu machen – kamen wir …

Rekonstruktion des Traiantempels. Foto: KW.

… zum Traianstempel. Unter Traian erhielt die Stadt nämlich ihre zweite Neokorie, auf die man sehr stolz war. Während andere Städte oft sparten und einen bereits bestehenden Tempel zu einem Kaisertempel umfunktionierten, errichtete man in Pergamon einen Neubau.

Traianstempel. Foto: KW.

Der Tempel wird heute besonders gerne als Klettergerüst genutzt. Besonders beliebt sind Fotos von einer Siegernatur in luftiger Höhe oder einem Individualisten in Meditationshaltung auf einem Säulenstumpf. Bei Frauen erfreut sich das Hochspringen mit beiden Füßen weiter Verbreitung – möglichst kombiniert mit einem über dem Kopf wehenden Tuch. Einfaches Dastehen ist etwas für Spießer. Gefordert ist die Interaktion mit dem Gebäude. Jeder Tourist wird vor der Ruine zum Top-Modell. Wie schön, dass die Archäologie einen so hübschen Hintergrund liefert. Sonst könnte man daheim nur langweilige Strandfotos vorführen!

Platz des berühmten Zeusaltares. Foto: KW.

Man ist richtig dankbar dafür, dass der Platz, wo einst der große Zeusaltar stand, heute abgesperrt ist. Auch wenn wir während unseres Rundgangs keine einzige Aufsicht gesehen haben, die sich auch nur im Geringsten darum kümmerte, was wir Touristen anstellen und ob die Absperrungen auch beachtet werden.

Die rote Halle. Foto: KW.

Inzwischen war es Nachmittag geworden, und die ersten großen Touristengruppen stürmten wieder die Akropolis. Wir zogen uns zurück. Verzichteten auf das etwas tiefer liegende Gymnasion und den heiligen Bezirk der Demeter, um eine kurze Stippvisite bei der (geschlossenen) roten Halle zu machen. Dieses Gebäude ist immer noch ein wenig rätselhaft. Seinen Namen trägt es wegen der vielen „roten“ Ziegel, die für seinen Bau verwendet wurden. Obwohl der Bau größer ist als der berühmte Riesentempel von Palmyra wird er in den antiken Schriften nicht erwähnt. Man nimmt heute an, dass hier ägyptische Gottheiten wie Isis, Osiris und Sarapis verehrt wurden. Vielleicht gab es hier auch einen Kybele-Kult. Bemerkenswert sind die unterirdischen Gänge und ein Tunnel, durch den ein Fluss strömte. Das wird jeden an die Mysterien erinnern, die seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. riesige Menschenmengen anzogen. Mancher Wissenschaftler lässt sich von diesem archäologischen Unterweltsszenario dazu verleiten, in den Tunneln einen labyrinthischen Komplex zu sehen, in dem sich die Gläubigen erschreckenden Initiationsriten unterzogen.

Erster Blick auf das Asklepieion. Foto: KW.

Doch zu dieser Stunde blieb uns der Eingang in den Tempel verwehrt. Das Museum wäre offen gewesen, aber angesichts der noch bevorstehenden Fahrt nach Foca und der Hotelsuche dort entschlossen wir uns, nur noch einen Besuch im Asklepieion zu machen.

Pergamon. Bronze, nach 133. Gorny & Mosch 196 (2011), 1613.

Das war nämlich in römischer Zeit weltberühmt. Gegründet wurde es im 4. Jh. vor Chr. von einem Privatmann. Erst Eumenes II. machte daraus einen Staatskult. In der römischen Kaiserzeit kamen Menschen aus dem ganzen Imperium, um in einer Art psychosomatischer Therapie Heilung zu finden. Aelius Aristides, einer der berühmtesten Redner seiner Zeit und ein ausgewiesener Hypochonder, schuf dem Asklepioskult ein Denkmal, indem er ein minutiöses Tagebuch mit dem Titel „Berichte vom Heiligen“ über seine Krankheit und ihre Heilung publizierte. Seine Selbstdarstellung ist derart detailliert, dass heute noch Mediziner seine Träume benutzen, um der Psyche des antiken Menschen näher zu kommen.

Caracalla. Denar, 215. Rv. Asklepios von Pergamon mit Telesphoros und Omphalos. Gorny & Mosch (November 2010), 475.

Auch Kaiser Caracalla versuchte hier seine Traumata zu vergessen, die entstanden waren, als er, um einen Bürgerkrieg zu verhindern, seinen Bruder hatte ermorden lassen. Die Therapie schlug an. Weswegen der Asklepios von Pergamon in seiner typisch pergamenischen Ikonographie Eingang fand in die römische Münzprägung. Rechts von Asklepios ist Telesphoros zu sehen, ein kleiner Kapuzenmann, der das Ende der Krankheit brachte, im Guten wie im Schlechten. Links von ihm liegt ein rundes Objekt, das häufig als Globus bezeichnet wird, wohl aber eher ein Omphalos ist.

Tempel des Asklepios, errichtet während der Regierung Hadrians. Foto: KW.

Wenig ist vom ursprünglichen Tempel übrig geblieben. Es handelte sich um einen Rundbau, der während der Regierung Hadrians errichtet wurde und dem Pantheon ziemlich ähnlich sah.

Die heilige Quelle. Foto: KW.

In einer Art Erlebnisparcour hat man den Weg, den frühere Patienten genommen haben, stimmungsvoll rekonstruiert. Er führt von der heiligen Quelle …

Kryptoporticus. Foto: KW.

… durch einen unterirdischen Gang …

Plätscher, plätscher … Foto: KW.

… unterlegt mit dem stimmungsvollen Geplätscher eines kleinen Bachs, der über eine Treppe rinnt, …

Sogenannter „Kurbau“. Foto: KW.

… in den runden Kurbau.
Was dabei tatsächlich aus der Antike erhalten war, und was rekonstruiert wurde, das bleibt der Phantasie des Besuchers überlassen.

Theater des Asklepieion. Foto: KW.

Ich grübelte vor dem Theater des Asklepieions darüber, wie weit Rekonstruktion gehen darf. Ich kann mich erinnern, dass mich vor mehr als 20 Jahren die türkischen Grabungen stark beeindruckten, eben weil so viel erhalten war, und man sich die Bauten genau vorstellen konnte. Heute, nicht mehr ganz so naiv wie damals, fragte ich mich, in wie weit all diese Rekonstruktionen der Realität entsprachen oder ausschließlich gebaut wurden, um die Bedürfnisse des Tourismus zu bedienen. Wie viel war von der Kryptoporticus ursprünglich noch vorhanden gewesen? In wie weit entsprach der Nachbau des Kurbaus dem Befund oder spiegelte er lediglich die Vorstellungen der Ausgräber? Ich fühlte mich in einer Art archäologischem Disneyland, gebaut um als Kulisse meine Erwartungen zu erfüllen.

Blick von der Dachterrasse des Boutiquehotels Erguvan. Foto: KW.

Wir verließen Pergamon und fuhren nach Phokäa. Wir wollten sehen, wo die Münzen mit der Robbe einst geprägt wurden. Bei der Hotelsuche hatten wir Glück. Wir fanden ein sehr ordentliches Boutique-Hotel ein wenig außerhalb der Stadt. Das Zimmer war sauber, das Bett war gut. Von der Dachterrasse aus hatte man einen wunderbaren Ausblick auf die Küste. Trotzdem handelte ich ein wenig beim Zimmerpreis. Schließlich steht ja in jedem Reiseführer zu lesen, dass man das tun soll.

Ein Teil des wunderbaren Frühstücks im Hotel Erguvan. Foto: KW.

Im Nachhinein habe ich mich über meine Kleinlichkeit geschämt. Denn was wir dort zum Frühstück aufgetischt bekamen, war mit so viel Liebe und Stolz auf die eigenen Produkte angerichtet, dass das Zimmer seinen Preis mehr als wert war. Käse aus der Umgebung, Oliven und Olivenöl vom eigenen Hain, Honig, Butter und Quark, dazu selbst gemachte Marmeladen. Und das war nur ein Teil des Frühstücks. Dazu kamen Eier, kleine Pfannkuchen, Sesamkringel und vieles mehr. Jeden Morgen entstand das philosophische Problem, ob man dieses wunderbare Frühstück bis auf den letzten Krumen aufessen sollte, obwohl man damit für den ganzen Tag genug hatte. Auch wenn theoretisch die Möglichkeit bestand, nicht alles zu essen, um es vielleicht einmal zu schaffen, ein Mittagessen zu genießen, machten wir praktisch von dieser Möglichkeit nie Gebrauch.

In der nächsten Folge bleiben wir in Foca. Wir besichtigen die antiken Überreste der antiken Handelsstadt, von der aus Metropolen wie das heutige Marseille gegründet wurden, und machen einen Ausflug nach Sardeis, dorthin wo vielleicht irgendwann die Idee für das neue Medium „Münze“ entstand.

Alle Teile der Serie „Türkischer Frühling“ finden Sie hier.