Die Gebühr der Geldwechsler

von David Hendin

Zur Zeit Jesu, in den Tagen des Zweiten Tempels, heißt es in der Apostelgeschichte 2,5: „In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.“
In anderen Worten, damals reisten Juden aus der ganzen antiken Welt ins Heilige Land. Neben ihren jeweiligen Traditionen und Sprachen brachten sie ihren persönlichen Besitz mit – darunter große Summen Geldes in der Währung ihres Heimatlandes, oder Münzen, die sie auf ihrem Weg nach Jerusalem erhalten hatten.

Ähnliche Situationen gab es in anderen gutbesuchten Gegenden des antiken Nahen Ostens, wo Dutzende Sorten von Geld, Gewichtsstandards und Währungssystemen zusammenkamen. Dadurch hatte sich ein Netz von unabhängigen Geldwechslern etabliert. Sie stellten eine Dienstleistung zur Verfügung, die gerade in Jerusalem essenziell war: Dort mussten jüdische Besucher ihr ausländisches Geld in tyrische Silbermünzen wechseln, um ihren festgesetzten jährlichen halben Schekel an den Jerusalemer Tempel zu zahlen.

Christus vertreibt die Wechsler aus dem Tempel (1626), Gemälde von Rembrandt van Rijn, Puschkin-Museum / Moskau. Quelle: Wikipedia.

Irgendwann waren die Geldwechsler so allgegenwärtig – und offensichtlich auch so rüpelhaft in ihrer Geschäftsausübung, dass sie ungewollt Aufmerksamkeit auf sich zogen: „Jesus ging in den Tempel und trieb alle Händler und Käufer aus dem Tempel hinaus; er stieß die Tische der Geldwechsler um …“ (Matthäus 21,12).
Das hebräische Wort für diese Geldwechsler oder Umtauschbankiers ist schulhani. Man brauchte sie nicht nur, um ausländisches Geld in tyrische Schekel und Halbschekel zu wechseln, die man im Tempel benötigte. Ausländische Reisende führten auch nur wenig Kleingeld mit sich. Vielmehr statteten sie sich mit den größtmöglichen Nominalen aus, weswegen den Geldwechsler die wichtige Aufgabe zukam, diese großen Nominale in kleine zu wechseln, mit denen man die alltäglichen Kauf- und Verkaufsaktionen ausführte.

In der Antike war Geldwechseln ein Berufszweig, genauso wie heute weltweit auf Flughäfen oder in Städten – weltweit sehen Reisende oft die Hinweisschilder in Flughäfen und Städten: EXCHANGE – CAMBIO. Wenn Sie heute Ihr Geld von U.S. Dollars in Pfund Sterling oder Euro wechseln, dann zahlen Sie eine Gebühr. Genau das Gleiche geschah auch vor 2000 Jahren. Geldwechsler verlangten eine kleine Gebühr („agio“), die in der rabbinischen Literatur kolbon heißt. Vermutlich kommt das Wort von einem ähnlichen griechischen Begriff mit der Bedeutung „kleine Münze“.

Im Neuen Testament treten drei verschiedene Begriffe für Geldwechsler auf. Ganz offensichtlich steht das Wort kolbon in Verbindung mit Matthäus 21,12, wo der Begriff kollybistes gebraucht wird; die Wurzel dieses Wortes geht zurück auf das griechische kollybos, womit das Wechseln ausländischer Währung beschrieben wurde.
Bei Johannes 2,14 („Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen.“) begegnen wir kermatistes nach dem griechischen kermatizo, was „kleinschneiden“ bedeutet, oder wörtlich: „Kleingeld geben“. (Dies wirft auch ein Licht auf den täglichen Gebrauch von Münzen im antiken Palästina, wo man die Geldstücke wortwörtlich in zwei oder vier Stücke hackte, um „Kleingeld“ zum Wechseln zu erhalten.)
Bei Matthäus 25,27 („Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten.“) heißen die Wechsler trapezites nach dem griechischen Wort für Tisch, trapeza. Aus dem Zusammenhang geht hervor, dass dieses Wort sich auf eine andere Funktion bezieht, nämlich die des Geldverleihers; diese nahmen Geld an, um es zu investieren oder sich zu verwahren und zahlten einen festen Zinssatz aus. Obwohl das jüdische Gesetz dies ausdrücklich verbot (5. Mose 23,20-21), gab es diesbezüglich unterschiedliche Interpretationen. Daniel Sperber bemerkt dazu in der Encyclopedia Judaica: „Die Tätigkeit des jüdischen Bankiers, schulhani, war eng begrenzt, da seine Transaktionen mit dem biblischen Verbot des Zinsgewinns in Einklang stehen mussten. Im Talmud finden sich viele Angaben, die sich darauf beziehen. Ein weiteres interessantes Feld seines Geschäftes war das Auszahlen auf Verlangen von Geld, das man bei ihm genau dafür hinterlegt hatte.“

Wir können also drei Hauptfunktionen von Geldwechslern im antiken Palästina ausmachen: (a.) Umtauschen ausländischer Währungen, (b.) das Wechseln von großen Nominalen in kleinere, (c.) Fungieren als Bank.
Während diese Funktionen Studenten der Wirtschaftswissenschaften und Numismatik interessieren, wurde schon immer besonderer Wert auf einen anderen Punkt gelegt: auf die Gebühren, die das Wechseln ausländischen Geldes in tyrische Schekel und Halbschekel kostete, und die die Gläubigen benötigten, um ihre Abgaben an den Jerusalemer Tempel zu zahlen.

Schekel mit Gebühr: Wenn ein Jude im frühen ersten Jahrhundert seine jährliche Tempelabgabe mit einem tyrischen Schekel beglich, zahlte er in Wirklichkeit einen Schekel plus eine Gebühr von zwei kalbonot, was 11 prutot entsprach. Sein Wechselgeld war ein halber Schekel. Hier ist ein tyrischer Schekel zu sehen sowie 11 prutot der römischen Prokuratoren des antiken Israel. Foto: David Hendin.

Der Talmud deutet dieses Problem auf ganz bestimmte und sehr interessante Weisen. Wir haben diese Angelegenheit mit einem seriösen Numismatiker besprochen, der gleichzeitig ein Gelehrter des Talmud ist, Rabbi Benjamin Yablok. Er merkte an, dass der Talmud genau ausführt, wie eine besondere Situation entstand, wenn ein Mann zum Jerusalemer Tempel ging und seinen halben Schekel zahlen wollte, aber nur einen ganzen Schekel bei sich führte und diesen wechseln musste. Der Mann musste dem Tempel nicht nur den tyrischen Silberschekel geben, sondern auch eine zusätzliche Gebühr von „zwei Kalbons“ (im Hebräischen ist kalbonot der Plural von kalbon). Ihm wurde dann seine Schuld als abgegolten anerkannt, und er erhielt einen halben Schekel zurück. Der Grund dafür, so erklärt Rabbi Yablok, ist, dass es lebenswichtig für den Tempel war, den „vollen Wert“ zu erhalten, und dass niemand Gewinn daraus ziehen sollte, den Geldwechsler zu umgehen; dieser Vorteil sollte vielmehr dem Heiligen Tempel zugutekommen. Die Geldwechslergebühr für den Wechsel von einem Schekel betrug ein kalbon. Daher betrachteten die Finanzexperten des Tempels die Transaktion, wie sie am Beginn des Absatzes beschrieben wurde, als eine doppelte, weswegen sie auch zwei kalbonot als Gebühr beanspruchten.

Der Talmud geht noch einen Schritt weiter: Wenn zwei Männer gemeinsam zum Tempel gingen und ihre halben Schekel gemeinsam mit einem einzelnen Schekel bezahlen wollten, mussten sie dennoch die Kalbon-Gebühr entrichten.
Diese Gebühr betrug einen halben maah. Wie hoch genau ein maah zu veranschlagen war, ist Objekt umfangreicher Diskussionen im Talmud. Die allgemein anerkannte Ansicht der Rabbiner sah darin ein achtundvierzigstel selah (ein damals gebräuchlicher Begriff für Schekel). Rabbi Meir allerdings vertrat die Minderheitenansicht, dass ein maah mit einem vierundzwanzigstel selah gleichzusetzen sei.

Der maah entsprach demnach rund 2,1 oder 4,2 Prozent eines Schekels, was 5,5 oder 11 prutot entsprach, wenn man den Wechselstandard römischer Zeit (etwa zwischen 6 und 70 n. Chr.) zugrundelegt; damals galt ein Schekel 256 prutot und ein halber Schekel 128 prutot. Erneut bestanden die Rabbiner darauf, dass der Tempel in jedem Fall den „ganzen Wert“ erhielt und dies auf keine Art und Weise umgangen werden konnte. Herbert Danby erklärt in einer Anmerkung zu seiner Mischnah-Übersetzung, die in der Oxford University Press erschienen ist: Der Aufpreis „entschädigte die Schekelsammler des Tempels für Kosten, die ihnen beim Wechseln der Schekel oder Halbschekel aus anderen oder in andere Währungen entstand.“
Im Gespräch über diese Anmerkung äußerte Rabbi Yablok, dass aus den Texten nicht hervorgeht, dass sich die hebräischen Kommentatoren um Wechselverluste sorgten. „Eher“, so Rabbi Yablok, „folgten sie der Ansicht, dass der Tempel bei jeder Transaktion einen Gewinn machten sollte, unabhängig davon, was der Zahlende tat. Dieser Schritt sollte die Würde des Tempels und den Respekt für ihn bewahren. Stellen sie sich vor, heute ginge jemand mit einer Synagoge (oder Kirche) so um, dass er selbst zwar Geld sparte, die Synagoge dabei aber keinen Vorteil hätte, obwohl es allgemein anerkannt ist, dass eine gemeinschaftliche Einrichtung auch einen Vorteil haben sollte.“
Als weiteres Beispiel dafür führt Rabbi Yablok eine andere Minderheitenansicht von Rabbi Meir an: Dieser vertrat die Meinung, dass sogar jemand, der mit einem tyrischen Halbschekel aus Silber zum Tempel ging, einen kalbon zahlen sollte, damit der Tempel den „vollen Wert“ erhielt – schließlich war die Münze von Menschen gemacht und somit nicht perfekt.

Nazar: Blaues Auge, Blaue Perle, Nazar-Amulett oder Nazar-Perle heißt das heute im Orient weitverbreitete Amulett, das gegen den bösen Blick schützen soll.

Damit verbunden ist eine Geschichte, die ich in meinem Führer zu Biblischen Münzen bereits erzählt habe. Im Jahr 1964 wurde während einer Ausgrabung des antiken Besiedlungsgebietes von Ein-Gedi am Ufer des Toten Meers ein Haus aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert freigelegt.
In einem Wandverputz fand sich ein antikes Öllämpchen, das 139 prutot enthielt, die meisten davon von römischen Präfekten und Prokuratoren, die Judäa zwischen 6 und 66 n. Chr. verwalteten. Man kam zu dem Ergebnis, dass 139 Münzen keinen Schatzfund im üblichen Sinn darstellten, da ihr Wert zu gering sei. Als mir Ya’akov Meshorer vor vielen Jahren diese Öllampe und die Münzen im The Israel Museum zeigte, rekonstruierte er die dahinter stehende Geschichte folgendermaßen:
„Als ein Jude im Jahr 60 n. Chr. sein Haus baute, stand er kurz vor dem Ende der Arbeiten. Bevor er die letzte Schicht Putz auftrug, beschloss er, eine geheiligte Summe Geldes in der Wand zu verstecken als Schutz vor dem bösen Blick.“

Die heiligste Summe Geldes stellte für die Juden dieser Zeit der halbe Schekel dar, weil dies die Summe war, die jeder Mann dem Tempel jährlich entrichtete. Aber nach Meshorer wollte unser Jude des ersten Jahrhunderts nicht einfach einen silbernen Halbschekel in der Wand verstecken, um das Glück zu beschwören, denn „die große Zahl von Münzen würde mehr Eindruck machen.“ Der Mann beschloss außerdem, das Geld in eine Lampe zu geben – „ein Symbol für die Ewigkeit“.
Aber Moment! Ein halber Schekel entsprach 128 prutot. Warum also fanden die Archäologen 139?
Die Wechselgebühr von zwei Kalbons (kalbonot) für einen halben Schekel entsprach genau 11 prutot. 128 plus 11… genau 139 prutot. Der Besitzer wollte sicher gehen, dass er – wo es doch um sein Glück ging – jede Vorsichtsmaßnahme ergriffen hatte!

Wir danken David Hendin für die Erlaubnis, diesen Artikel zu übersetzen und in der MünzenWoche zu publizieren.

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