Ein „Muss“ für jede Mittelalter-Bibliothek

[bsa_pro_ad_space id=4]

von Ursula Kampmann

22. Juni 2017 – Das Münzkabinett des Fitzwilliam Museums in Cambridge zeichnet verantwortlich für ein gewaltiges Projekt, neben dem der allen Römer-Sammlern bekannte RIC wie ein netter, kleiner und übersichtlicher Katalog für den Einsteiger aussieht. In den Bänden des MEC (= Medieval European Coinage) werden alle Münzen Europas vom Früh- bis zum Spätmittelalter publiziert. Eine Mammut-Aufgabe, wenn man an all die kleinen und kleinsten Münzstätten dieser Epoche denkt! Kein Wunder, dass von den geplanten 20 Bänden in den letzten 30 Jahren gerade einmal fünf erschienen sind! Jüngst kam als vierter Katalog Band 12 heraus, der sich mit den Münzen Norditaliens beschäftigt. (Der 8. Band – Britannien und Irland zwischen 400 bis 1066 – ist übrigens im April 2017 publiziert worden; wir haben ein Rezensionsexemplar erbeten.)
Für Norditalien zeichnen verantwortlich William R. Day, ehemaliger Research Associate des Münzkabinetts des Fitzwilliam Museums (Ligurien, Piemont sowie die einführende Einleitung und Appendices), Michael Matzke, Kurator des Münzkabinetts des Historischen Museums Basel (1. Entwurf sowie Lombardei – ausgenommen Mantua), und Andrea Saccocci, Professor für Numismatik an der Universität von Udine (Veneto und Mantua).

William R. Day Jr., Michael Matzke, Andrea Saccocci, Medieval European Coinage with a Catalogue of the Coins in the Fitzwilliam Museum, Cambridge. Bd. 12: Italy (I) (Northern Italy). Cambridge University Press, Cambridge 2016. 1135 S. mit 80 Tafeln und Abbildungen und Karten in Schwarz-Weiß, 25,3 x 19,7 cm. Hardcover. ISBN: 978-0-521-26021-3. GBP 175.

Fassen wir es kurz zusammen: Auch der neue Band des MEC ist mit seinen 831 Seiten und 80 Tafeln ein umfassendes Handbuch, dessen Benutzung allerdings einiges an Fachwissen voraussetzt. Denn die Tafeln sind eine Herausforderung an die Augen. Sie geben die Exemplare der umfangreichen Sammlung wieder, deren Grundstock Professor Philipp Grierson zusammentrug und dem Fitzwilliam Museum schenkte. Der Nicht-Mittelalter-Spezialist ist beeindruckt von der Reichhaltigkeit der Sammlung und wünscht sich trotzdem sofort ein paar klare Umzeichnungen der Prägungen (oder wenigstens kontrastreichere Fotos, die über den gleichförmigen grau-in-grau-Ton hinausgehen). Dies würde eine Identifizierung der Prägungen wesentlich vereinfachen. Wer also glaubt, nur ein bisschen blättern zu müssen, um damit die relevante Münzstätte zu finden, der wird bei diesem Buch nicht weit kommen. Kleine Kreuze, Köpfchen und Buchstaben bieten einfach nicht genug Anhaltspunkte, um eine Prägung allein anhand der Abbildung zu identifizieren. Man muss schon in der Lage sein, die Inschrift der Münze zu lesen. Nur dann ist es problemlos möglich, über die Legende die relevante Münzabbildung in den Tafeln zu finden und von dort zum Kommentar und den wissenschaftlichen Erläuterungen weiterzukommen.

Die Fülle an Information, die dieser Band bietet, ist beeindruckend. Geordnet sind sie zunächst chronologisch, dann nach Währungs-Gebiet. Also zuerst die königlichen und kaiserlichen Prägungen ab der Ottonischen Reform bis hin zu den Anfängen der kommunalen Münzprägung. Dann werden geographisch nach den Regionen – Piemont, Ligurien, Lombardei (inklusive Bellinzona) und Veneto (inklusive Friaul und Südtirol) – sortiert, die Münzen der einzelnen Münzstände vorgestellt. Praktisch bedeutet das, dass die Autoren die Münzen von 55(!) Prägeautoritäten – und darin sind die königlich-kaiserlichen Gepräge nicht eingerechnet – aufgearbeitet haben. Und darunter befinden sich so wichtige Handelsstädte wie Genua (50 Seiten), Mailand (102 Seiten) und Venedig (26 Seiten).

Eingeleitet wird das Werk von einer allgemeinen Einführung zum historischen Hintergrund und der Münzprägung Norditaliens. Eine Karte mit den damals tätigen Silberbergwerken und den benutzten Pässen macht klar, woher und auf welchen Wegen das Metall für die Prägung kam. Man findet Informationen zum Münzrecht, zu Nominalsystemen, zu Motiven, Legenden und Umlaufsgebieten.
Jedes weitere Kapitel beginnt wiederum mit einer eigenen Einleitung. Sie vereint historischen Hintergrund und Literatur, ehe die Münzprägung detailliert anhand der neuesten Literatur aufgeschlüsselt wird. In diesen Kapiteln findet man dann einige Umzeichnungen, die man bei den Tafeln so schmerzlich vermisst hat.

Was soll man noch mehr schreiben. Es steht ja sowieso fest, dass der MEC ein absolutes Muss ist für jede numismatische Bibliothek, die etwas auf sich hält. Für den Münzhändler ist er ein unverzichtbares Hilfsmittel für die Bestimmung, das unzählige andere Bücher überflüssig macht. Für den Sammler ist es eine gewaltige Fundgrube an Informationen in englischer Sprache für ein Gebiet, in dem die wichtigsten Werke – mit der Ausnahme Südtirols – auf Italienisch erschienen sind. Und dass der Wissenschaftler gerne auf den MEC zurückgreift, wenn er sich schnell über den aktuellen Forschungsstand informieren will, ist sowieso klar.
Der MEC ist aber auch unverzichtbar für all diejenigen, die sich mit der Geschichte und Wirtschaftsgeschichte Europas beschäftigen. Vor allem Norditalien spielte hier eine entscheidende Rolle, so dass dieser Band des MEC nicht nur in numismatischen, sondern auch in historischen Bibliotheken stehen sollte.

Bestellen können Sie den MEC über die Seite der Cambridge University Press.

Hier können Sie übrigens auch alle anderen Bände zum Teil bereits im Nachdruck erwerben, was wir nur empfehlen können.

Mehr Information über das gesamte Projekt bietet Ihnen diese Seite des Münzkabinetts im Fitzwilliam Museum.

Und über das Münzkabinett von Cambridge publizierte die MünzenWoche einen ausführlichen Artikel.