Antike Helden auf flämischen Wirkteppichen

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2. Januar 2014 – Antike Helden: ein Thema, das zum Träumen verführt, das von der Faszination für die in historischen Texten erzählten Heldentaten kündet. Seit November präsentiert das Musée Rath noch bis 2. März 2014 „Antike Helden. Flämische Wirkteppiche und Archäologie“, eine Ausstellung, in der großformatige Tapisserien des 17. Jahrhunderts, auf denen historische Figuren oder römische Kaiser dargestellt sind, einen Dialog mit archäologischen Objekten führen. Ein erstaunlicher Austausch zwischen antiken Zeugnissen, Bildern des 17. Jahrhunderts und der Deutung durch heutige Archäologen.

Vespasian und Titus werden zum Kaiser ausgerufen. Signatur G. PEEMANS. © Fondation Toms Pauli. Foto: Cédric Bregnard, Lausanne. Inv. 28.

Ein wertvoller Teil der Sammlungen der Musées d’art et d’histoire de Genève (MAH) erhält augenblicklich in den Restaurierungswerkstätten De Wit in Malines (Belgien) seinen alten Glanz zurück. Seit 1949 waren die Wirkteppiche des 17. Jahrhunderts, die zum Legat Revilliod an die Stadt Genf gehören, nicht mehr ausgestellt. Zehn von ihnen werden nun am Jahresende im Musée Rath erneut zu sehen sein. Zu ihnen kommen acht monumentale Tapisserien, die 1993 dem Kanton Waadt vermacht wurden und zur Sammlung Toms in Lausanne gehören.

Die Interpretation des Traums von Decius Mus. Atelier Jacques Weuters. © MAH. Foto: Manufacture royale De Wit, Malines. Inv. 18668.

Diese eigens aus dem Depot geholten und dem Publikum teilweise völlig unbekannten Teppichfolgen sind der Geschichte großer Persönlichkeiten der römischen Antike gewidmet und veranschaulichen deren Funktion und Deutung im Barock. Vom legendären Helden Decius Mus …

Konstantin akzeptiert die Pläne zur Grabeskirche von Jerusalem. Signatur MATTHYS ROELANTS. © MAH. Foto: Manufacture royale De Wit, Malines. Inv. 18679.

… über Scipio, den Bezwinger Hannibals, und Alexander den Großen gelangt man zu den römischen Kaisern Titus und Vespasian, die den Tempel von Jerusalem zerstörten, …

Konstantins Vision des Kreuzes, Detail. Signatur IOERIS LEEMANS. © MAH. Foto: Manufacture royale De Wit, Malines. Inv. 18675.

… und zu Konstantin dem Großen, der als Begründer des christlichen Reiches gilt. Diese großformatigen Kunstwerke sind in einem bemerkenswert guten Erhaltungszustand und teilweise mit Gold- und Silberfäden gewirkt.

Die Ausstellung ist um vier Achsen mit folgenden Zielen angeordnet:

  • Den Besuchern die Möglichkeit bieten, die Teppiche vom ästhetischen Standpunkt aus zu beurteilen und sich mit ihrer Ausdrucksweise vertraut zu machen – lange stellte die Tapisserie den Höhepunkt an Raffinement und Prunk in der Inneneinrichtung dar.
  • Durch präzise Beispiele die Entwicklung der Ikonografie veranschaulichen und sie in eine historische Perspektive stellen, um die Botschaft zu verstehen, die sie seinerzeit zu vermitteln hatte.
  • Verstehen, wie der heutige Archäologe diese Rekonstruktion der Antike wahrnimmt, deren Genauigkeit von den Kennern des 17. Jahrhundert gepriesen wurde.
  • Die Besucher in die Technik der Tapisserie einführen.

Der Sieg Konstantins über Maxentius auf der Milvischen Brücke. Signatur MATTHYS ROELANTS. © MAH. Foto: Manufacture royale De Wit, Malines. Inv. 18676.

Den Wirkteppichen sind archäologische Objekte – Abgüsse, Grafiken, Bücher, Wappen, Münzen und Medaillen – gegenübergestellt, die dazu beitragen, den Zugang zu der faszinierenden, von den flämischen Wirkern geschaffenen Welt zu erleichtern. Die Sammlungen der Fondation Gandur pour l’Art und des Musée Saint-Raymond in Toulouse ergänzen jene des Musée d’art et d’histoire. Zudem stellen das Grassi-Museum in Leipzig und das Museum Schloss Fasanerie in Eichenzell zwei Bildnisse Konstantins des Großen als Leihgaben zur Verfügung.

La conférence de Scipion et d’Hannibal. Brüssel, Hendrik I Reydams, 1660. Marques de la ville de Bruxelles. Signature H. R. Wolle, Seide, Silberfäden. H. 471 cm, B. 842 cm. 9 Kettenfäden/cm. © Fondation Toms Pauli. Foto: Cédric Bregnard, Lausanne. Inv. 27.

Was wusste man im 17. Jahrhundert von diesen antiken Helden und ihrem Aussehen? Welche Botschaft vermittelten sie? Wie und warum wurden die von den flämischen Wirkern umgesetzten Vorlagen geschaffen, die historische Genauigkeit mit zeitgenössischen Anspielungen verknüpfen? Fragen, auf die in der Ausstellung von den Kurator/innen in Zusammenarbeit mit Kunsthistorikern – Spezialisten für Barock und Tapisserie – und mit Archäologen Antworten gesucht werden.

Reiterstandbild Alexanders des Großen. Hellenistische Zeit, 3. und 2. Jh. v. Chr. © Fondation Gandur pour l’Art, Genf. Inv. ARCH-GR-049.

Die Bildnisse Alexanders des Großen zeigen den Helden mit einer Haartracht, die einer Löwenmähne gleicht und auf die Löwennatur des Eroberers verweist. Er trägt einen chitoniskos (Kurzrock) über einer Körperrüstung. Er ist barhäuptig, da er gemäß der Überlieferung ohne Helm in den Kampf zog. Alexander ist als Reiter dargestellt, so dass wir annehmen können, er sitze auf seinem Lieblingspferd Bukephalos. Die Plastik dürfte nach einem einst hochberühmten, doch heute verschollenen Original gestaltet worden sein, das den 22-jährigen Alexander bei seinem ersten Sieg über die Perser in der Schlacht von Granikos 334 v. Chr. zeigte.

Trajan, lorbeergeschmücktes Brustbild Nachtrajanisch, um 115-117 n. Chr. © Musée d’art et d’histoire, Genf. Inv. CdN, MF 2967.

Vermutlich schuf derselbe Künstler, der diese Gemme schuf, einen Teil der am Ende von Trajans Herrschaft im Umlauf befindlichen Münzen. In den Augen der Römer war Trajan der Kaiser, dem es gelang, Alexanders Großtaten im Orient zu wiederholen.

Intaglio: Brustbild Konstantins oder eines seiner Söhne. Um 320-340. © Grassi-Museum für Angewandte Kunst, Leipzig. Inv. 1952.55/441.

Das Porträt auf dieser Gemme ist von höchster Qualität. Die Kostbarkeit und vor allem die Farbe des Steins prädestinierten ihn für ein kaiserliches Porträt. Weltweit sind nur zwei ähnliche Stücke bekannt. Die Arbeit stammt also mit Gewissheit aus einer kaiserlichen Werkstatt, da man den Stein nur einem erstrangigen Künstler anvertrauen konnte. Gemäß den ästhetischen Regeln der Zeit werden nicht die persönlichen Züge des Individuums, sondern dessen kaiserlicher Charakter dargestellt. Glaubte man früher, es könne sich um Constantius II. handeln, möchten sich die Kuratoren des Grassi-Museums augenblicklich nicht festlegen.

Kopf Konstantins des Großen oder eines seiner Söhne. Um 320-340. © Museum Schloss Fasanerie, Eichenzell. Inv. FAS. ARP54.

Dieser ältere, im 4. Jahrhundert umgearbeitete Kopf stellt Konstantin oder einen seiner Söhne dar. Der Kaiser blickt den Betrachter direkt an. In seiner zeitlosen, hieratischen Erhabenheit ist er allerdings so weit von den gewöhnlichen Sterblichen entfernt, dass seine individuellen Züge nicht zu fassen sind. Was zählt, ist die kaiserliche Würde, die den Dargestellten zum Mittler zwischen Gott und Menschen macht.

Votivplatte oder Missorium Valentinians II.?, 375-392. Silber, Durchmesser 27 cm; Gewicht 1050,8 g. © Musée d’art et d’histoire, Genf/Foto: Jean-Marc Yersin. Inv. ARC, C 1241.

Dieses spätantike Meisterwerk der Silberschmiedekunst zeigt den Kaiser inmitten seiner Garde. Es ist eines der ältesten in Genf zu Tage geförderten Objekte und die einzige bisher in der Schweiz entdeckte spätantike Votivplatte. Die im frühen 18. Jahrhundert gemachte Entdeckung zeugt von den ausgezeichneten Beziehungen der Region Genf zur kaiserlichen Macht in der Antike.

Die Geschichte des Marcus Antonius. Brüssel, zwischen 1661 und 1668. Aus der Werkstatt von Van Leefdael, van der Strecken et Peemans. © MAH. Foto: Manufacture royale De Wit, Malines. Inv. AD 1390.

Den Bezug zwischen Tapisserie und Archäologie, den beiden Facetten der Ausstellung, stellt insbesondere die Präsentation einer Übersetzung des von Kaiser Julianus im 4. Jahrhundert verfassten Textes „Die Caesaren“ her, die der Genfer Gelehrte Baron Spanheim zur Zeit der Anfertigung der Wirkteppiche veröffentlichte.
Seine hervorragende Übersetzung wird im Übrigen in der Ausstellung zum ersten Mal in Form eines Theaterstücks vorgetragen.

Schließlich lässt sich in einem Mediationsraum die Wirktechnik anhand eines Wirkstuhls und audiovisueller Materialien studieren.

Mehr Informationen zur Ausstellung finden Sie auf der Seite des Museums.