Wie eine Anlagemünze fast die US-Finanzkrise gelöst hätte – wieder einmal

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von Björn Schöpe

24. Januar 2013 – Vor einem Jahr geschah es, dieses Jahr geschieht es, und niemand wird sich wundern, wenn es auch in einem Jahr wieder geschieht. Die USA sehen sich regelmäßig mit einer Schuldenkrise nach der anderen konfrontiert, weil der von den Republikanern dominierte Kongress die Erhöhung der Schuldengrenze bis zum letzten Moment verweigert. Der unangenehme Weg ist meist der beste, aber er ist eben auch unangenehm. Das würde bedeuten, eine wirkliche Lösung für die Probleme zu finden, die hinter den ständig wiederkehrenden Krisen stehen. Dies ist wohl auch der Grund, warum alle so fasziniert sind von einer einfachen und auf den ersten Blick auch eleganten Lösung: Man prägt eine einzige Anlagemünze, und alles ist gelöst – jedenfalls bis nächstes Jahr …
Diese Münze wird nun allerdings nicht geprägt werden, wie Sprecher der Notenbank und des Finanzministeriums bekanntgaben. Trotzdem ist der Hintergrund sehr interessant, nicht zuletzt weil sich alles um eine einzige Münze drehte.

In den 1980er und 1990er Jahren schafften die USA es nicht, ihre Anlagegoldmünzen auf dem internationalen Markt zu verkaufen, weil deren vom Gesetz festgesetzter Feingehalt unter dem weltweit üblichen Standard lag. Mitte der 1990er Jahre schlug daher der damalige Direktor der US-Münze, Philip Diehl, vor, eine Platinanlagemünze einzuführen. In der Tat wurde diese Münze in kürzester Zeit ungeheuer erfolgreich.
Das Gesetz, das dem Finanzministerium erlaubte, solche Münzen prägen zu lassen, gestattete diesem auch, Nennwert und Größe der Münzen selbst zu bestimmen. (Dies ist der einzige Fall in den USA, in dem der Nennwert einer Münze nicht gesetzlich festgeschrieben ist.) Damit mussten diese Prägungen nicht vom Kongress genehmigt werden. (Es war übrigens die republikanische Mehrheit, die damals im Kongress das Gesetz gegen Widerstand der Demokraten durchbrachte.)
Diese Münzen waren selbstverständlich als Anlageobjekte gedacht und nicht etwa als Umlaufmünzen. Und das führt nun zu einem entscheidenden Punkt. Umlaufgeld wird von der Notenbank in Auftrag gegeben und an sie geliefert. Die Notenbank zahlt dann dem Finanzministerium den Nennwert, der die Produktionskosten für gewöhnlich deutlich übersteigt (eine Ausnahme ist die 1-Cent-Münze). Die Differenz zwischen Produktionskosten und Nennwert ist der Schlagschatz. Anlagemünzen werden hingegen zum Tageswert des Metallpreises plus einem Zuschlag an autorisierte Händler verkauft, nicht jedoch an die Notenbank. Diese Händler wiederum verkaufen die Münzen an Einzelpersonen, die ihr Geld nicht in ganze Platinbarren investieren können oder wollen. (In deutschsprachigen Medien ist in diesem Zusammenhang immer wieder von Platinmünzen die Rede, die in der Regel zu besonderen Anlässen geprägt würden. Tatsächlich gibt es noch American-Eagle-Platinmünzen für Sammler. Diese brachte man allerdings in den USA nie ins Gespräch für diese „kreative“ Lösung des Schuldenlimits. Es ging stets um Anlagemünzen, die nicht speziell für Sammler geprägt werden und auch nicht auf besondere Anlässe beschränkt sind.)

Natürlich war die Platinmünze „American Eagle“ nicht dazu gedacht, Schulden durch den gigantischen Schlagschatz zu begleichen, der sich ergeben würde, wenn der Nennwert nur ausreichend hoch wäre. Zur Zeit stellt die US-Münze Platin-Eagles mit 1oz, 1/2oz, 1/4oz und 1/10oz Gewicht her, die schwerste davon hat einen Nennwert von $100. Schon vor ein paar Jahren entstand die Idee, die Regierung könne sich doch einfach Geld verschaffen, indem sie eine 1-Billion-Dollar-Platinanlagemünze präge. Technisch wäre dies kein Problem. Philip Diehl erklärte, dass die Münzstätte zwei Tage brauche, um einen Vorderseitenstempel mit dem neuen Nennwert herzustellen und die Münze zu prägen; die Rückseite bliebe unverändert.

Manch ein Kommentator bemerkte spöttisch, die Menge an Platin, die es brauchte, um eine Münze von dem entsprechenden Gegenwert des Materials herzustellen, gebe es gar nicht in den USA und entspräche rund 100 Freiheitsstatuen. Doch das geht am Problem vorbei. Es ist ja gerade Eigenart von Anlagemünzen, dass ihr Nennwert nicht dem intrinsischen Metallwert entspricht. Als Beispiel mag die aktuelle $100-Platinanlagemünze dienen, die zur Zeit für rund $1.600 gehandelt wird. Investoren hoffen, dass der künftige Platinpreis eine solche Ausgabe zumindest rechtfertigt oder, bei einem steigenden Edelmetallpreis, noch rentabler werden lässt. Der Nennwert hingegen ist symbolisch. Aber. Teil der vorgeschlagenen Lösung besteht darin, diese Platinanlagemünze – wie Umlaufmünzen – bei der Notenbank zu hinterlegen, die dafür die Summe des Nennwertes dem Finanzministerium gutschreibt. In diesem Fall würde das Finanzministerium fast eine Billion Dollar Gewinn machen.

Es ist allerdings nicht ganz klar, ob dieses Vorgehen überhaupt der legale Weg wäre, da die Platin-Eagle-Münzen ja gerade keine Umlaufmünzen sind und sie daher für gewöhnlich nicht die Notenbank aufkauft, sondern Fachhändler. Umlaufmünzen hingegen werden von der Notenbank zunächst bestellt und erst danach von der US-Münze geprägt. Somit müsste die Entscheidung möglicherweise von der Notenbank getroffen werden und nicht vom Finanzministerium. Das Ministerium könnte also eine Anlagemünze prägen lassen, die die Notenbank gar nicht „ankaufen“ muss.

Selbstverständlich sind die Rechtsexperten unterschiedlicher Ansicht, was diese Details angeht, und diskutieren, ob der Plan funktionieren könnte. Dasselbe gilt für die Finanzanalyse. Auch hier sind die Fachleute verschiedener Auffassung, ob eine solche Münze eine Inflation begünstigen könnte oder nicht.

Vor ein paar Tagen erklärten allerdings die Notenbank und das Finanzministerium, dass die Regierung eine 1-Billion-Dollarmünze nicht prägen lassen wird. „Weder das Finanzministerium noch die Notenbank glauben, dass dieses Gesetz dazu dienen kann oder sollte, die Produktion von Platinmünzen zu vereinfachen, um damit eine Anhebung der Schuldengrenze zu vermeiden,“ wie das Ministerium verlauten ließ. Tatsächlich hatten viele beteiligte Politiker, Experten und Journalisten zum Ausdruck gebracht, dass diese Form der Problemlösung den meisten Menschen lächerlich und absurd erscheinen dürfte. In jedem Fall ist diese Gesetzeslücke nicht ungefährlich. Warum sollte ein Präsident den Nennwert von Anlagemünzen auf 1 Billion Dollar beschränken, wenn es ohnehin keine Begrenzung gibt? Und warum nicht zehn oder zwanzig 1-Billion-Dollarmünzen prägen, wenn man so für die Zukunft vorsorgen kann, für die nächste Regierung, künftige Generationen …?
Die ganze Geschichte erscheint reichlich bizarr und gefährdet vor allem das System der gegenseitigen Kontrolle, bei dem der Kongress die Ausgabe von Geld überwacht. Und alle geben zu, dass dies nie die Idee des Gesetzes zu den Platinmünzen war. Der republikanische Kongressabgeordnete Greg Walden hat nun einen entsprechenden Gesetzesantrag eingebracht, um sicherzustellen, dass keine Platinmünzen aufgrund dieses Gesetzes geprägt werden, mit denen Schulden getilgt werden könnten.

Ach, und für die vermögenden Sammler unter unseren Lesern: die 1-Billion-Dollar-Platinmünze wäre ohnehin niemals auf dem Sammlermarkt verkauft worden, sondern sollte eingeschmolzen werden, sobald das Finanzministerium sie von der Notenbank hätte zurückkaufen können!

Obwohl natürlich vor allem die englischsprachigen Medien ausführlich darüber berichteten, finden Sie ein paar Berichte auch auf Deutsch. Zum Beispiel im Spiegel

… oder im Handelsblatt.