Joseph Eckhel (1737-1798) und die Numismatik im Zeitalter der Aufklärung

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Von Bernhard Woytek und Daniela Williams

23. Juli 2015 – Von 27. bis 30. Mai 2015 fand an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Kunsthistorischen Museum Wien der Kongress Ars critica numaria. Joseph Eckhel (1737-1798) and the development of numismatic method statt. Die Veranstaltung wurde im Rahmen des seit Jänner 2013 laufenden FWF-Projektes „Joseph Eckhel (1737-1798) and his numismatic network“ (Projekt Nr. P25282) durchgeführt, maßgeblich vom FWF finanziert und von Bernhard Woytek und Daniela Williams organisiert.

Joseph Eckhel (1737-1798). © KHM Wien.

Am Kongress nahmen 21 Referenten aus Europa und den USA teil: nicht nur Numismatiker, sondern auch Spezialisten für die Geschichte der Frühen Neuzeit, Archäologen, Wissenschaftshistoriker und Experten für „Digital Humanities“. Auf diese Weise konnten Leben und Werk des großen österreichischen Numismatikers Eckhel, der auch oft „Vater der antiken Numismatik“ genannt wird, erstmals im weiteren Kontext seiner Zeit analysiert werden.

Am 27. Mai stellten, nach der Eröffnung der Veranstaltung, François de Callataÿ und Bernhard Woytek die neue internationale Forschungsinitiative Fontes Inediti Numismaticae Antiquae (FINA) sowie das Wiener Projekt zur Herausgabe der Korrespondenz Eckhels kurz vor. Daran schloss sich die Keynote des Kongresses an, die den Transformationsprozessen in den Wissenschaften in der Periode der Aufklärung ganz allgemein gewidmet war: Hans Erich Bödeker (Göttingen), „Zwischen Gelehrsamkeit und Forschung. Umprägungen aufklärerischer Wissenschaftlichkeit“. Bödekers Ausführungen steckten den großen Rahmen ab, in dem sich die Teilnehmer des Kongresses an den folgenden drei Tagen der Konferenz bewegen sollten.

François de Callataÿ bei seiner Präsentation. © ÖAW, Wien.

Am 28. Mai beschäftigte sich die Vormittagssektion mit den Voraussetzungen des numismatischen Wirkens Eckhels: Karl Vocelka sprach über Sammeln und Forschen im Wien der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, und Jean Guillemain beleuchtete die spezifische Tradition numismatischer Forschung im Jesuitenorden, die für Eckhel bestimmend werden sollte. Von besonderer Bedeutung war F. de Callataÿs Analyse der Tätigkeit des wichtigsten österreichischen Numismatikers vor Eckhel, des Grazers Erasmus Frölich (1700-1758). Eckhels Forschungen wurden auch in den Kontext systematischer Studien zur antiken Kunst im 18. Jahrhundert gestellt (Montfaucon, Caylus und Winckelmann).

Die Nachmittagssektion, die im Vortragssaal des Kunsthistorischen Museums stattfand, war der Geschichte der „systematischen“ Annäherung an die antike Münzprägung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert gewidmet (Martin Mulsow) und untersuchte, dem Genius loci entsprechend, auch Eckhels Wirken als Museumskustos: seine Arbeit als Direktor des antiken Münzkabinetts, speziell seine Akquisitionspolitik (Klaus Vondrovec), und auch das Verhältnis zu seinen Kollegen im Münzkabinett (Daniela Haarmann). Der Tag klang im Rahmen eines Empfangs in der Lounge der Freunde des KHM aus.

Daniela Williams bei ihrem Referat im Theatersaal der Akademie der Wissenschaften. © ÖAW, Wien.

Am 29. Mai, als man wieder in der Akademie der Wissenschaften tagte, standen am Vormittag Untersuchungen einzelner Werke Eckhels im Zentrum. Referate waren seinem ersten numismatischen Buch Numi veteres anecdoti (1775) gewidmet, weiters den Kurzgefaßten Anfangsgründen zur alten Numismatik (1787), sowie der Entstehungsgeschichte seines Meisterwerks, der achtbändigen Doctrina numorum veterum (1792-1798); dabei wurde auch die Wahl des Titels dieses Werks untersucht, das nach Eckhels ursprünglichen Vorstellungen ja Ars critica numaria hätte heißen sollen (Sprecher: D. Williams, P. F. Mittag, B. Woytek, A. Burnett).

Eines der hauptsächlichen Ergebnisse des zur Zeit laufenden FWF-Projekts zur wissenschaftlichen Korrespondenz Eckhels ist, daß man diesen nicht nur als Wissenschaftler begreifen darf, der in intellektueller Abgeschiedenheit seine bahnbrechenden Forschungen betrieb, sondern daß der – direkte oder indirekte – Austausch mit seinen Zeitgenossen eine nicht zu unterschätzende Rolle für Eckhel spielte. Dementsprechend wurde in der Nachmittagssektion am 29. Mai nicht nur die Rezeption der Renaissance-Numismatik in Eckhels Werk untersucht (J. Cunnally), sondern es wurde auch sein Verhältnis zum bedeutenden Reisenden und Münzforscher Domenico Sestini und seine Korrespondenz mit dem niederländischen Buch- und Münzhändler Pieter Van Damme einer kritischen Analyse unterzogen (F. Missere Fontana, C. E. Dekesel, Y. M. M. Dekesel-De Ruyck). Da die Spezialistin für Gemmenforschung Gabriella Tassinari aus gesundheitlichen Gründen leider nicht nach Wien reisen konnte, wurde eine Kurzfassung Ihres Beitrags zu Eckhels Werk Choix de pierres gravées du Cabinet Impérial von D. Williams vorgetragen.

Bernhard Woytek und Martin Mulsow während einer Diskussionsrunde. © ÖAW, Wien.

Am vierten Veranstaltungstag, dem 30. Mai, wurden schließlich Fallstudien zu Eckhels Wirken im Bereich der griechischen und römischen Numismatik präsentiert: J. Kagan untersuchte die Rezeption von Eckhels geographischer Ordnung der griechischen Münzen in Großbritannien im 19. Jahrhundert, und M. C. Molinari analysierte Eckhels Beitrag u.a. zur Erforschung des frühen gegossenen römischen Barrengeldes. Das letzte Referat war einem Bericht über die Erstellung der digitalen Edition des Eckhelschen Briefwechsels im Rahmen des laufenden FWF-Projektes gewidmet (D. Schopper, M. Mayer). Im Rahmen einer angeregten Diskussionsrunde wurde im Anschluß versucht, auf Basis der während des Kongresses präsentierten Forschungsresultate Eckhels Position in der Entwicklung der Numismatik als Wissenschaft neu zu bestimmen, seine Rolle als „Vater der antiken Numismatik“ zu hinterfragen und die verschiedenen Aspekte seines Werks im Kontext zu bewerten.

Kongressteilnehmer vor dem Maria-Theresien-Denkmal (auf der Seite mit, u.a., der Eckhel-Statue) vor dem KHM. © ÖAW, Wien.

Die Veranstaltung endete mit einer von B. Woytek und F. de Callataÿ moderierten Schlussrunde zur Zukunft der internationalen Initiative Fontes Inediti Numismaticae Antiquae (FINA), in der handschriftliche Quellen zur antiken Numismatik aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert publiziert und ausgewertet werden; diese Initiative steht unter der Patronanz der Union Académique Internationale (UAI).

Mit mehr als 60 registrierten Teilnehmern (zusätzlich zu den Referenten) nicht nur aus Wien, sondern aus ganz Österreich, mehreren europäischen Ländern und den USA war die Veranstaltung ein großer Erfolg: Sie hat vor Augen geführt, daß die Wissenschaftsgeschichte auch in der Numismatik zunehmend an Bedeutung gewinnt und eine wichtige Schnittstelle unseres Faches zur Neuzeitlichen Geschichtsforschung wie auch zur europäischen Geistesgeschichte bildet.

Die Akten der Tagung werden in Wien veröffentlicht. Weitere Informationen zu der Veranstaltung können Sie der Kongress-Homepage entnehmen.