Numismatisches Tagebuch einer Reise quer durch Griechenland – Teil 3

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von Ursula Kampmann

7. Juli 2011 – Auf ihrer dritten Etappe durch Griechenland besucht Ursula Kampmann Ioannina, wo sie die Numismatikprofessorin Katerini Liampi trifft. Das Museum ist reich ausgestattet mit Münzen, bedeutende Moscheen verweisen auf das osmanische Erbe und das Kastro auf den „mohammedanischen Napoleon“…

Auf ihrer dritten Etappe durch Griechenland besucht Ursula Kampmann Ioannina, wo sie die Numismatikprofessorin Katerini Liampi trifft. Das Museum ist reich ausgestattet mit Münzen, bedeutende Moscheen verweisen auf das osmanische Erbe und das Kastro auf den „mohammedanischen Napoleon“…

7. Tag, 16. Juni 2011, wir besuchen Katerini Liampi in Ioannina
Heute verlassen wir das gastliche Parga und machen uns auf den Weg ins Landesinnere nach Ioannina. Diese Stadt ist das Zentrum des heutigen Epirus mit ihren rund 100.000 Einwohnern. Dazu kommen rund 20.000 Studenten, die an der 1970 gegründeten Universität von Ioannina in 17 verschiedenen Fakultäten studieren.

Man sollte also annehmen, daß es leicht sein müßte, in Ioannina ein Quartier zu finden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Alle Hotels verstecken sich vor uns. Wir fahren sogar einmal rund um den ganzen See, an dem Ioannina liegt, doch keine Chance. Alles ist geschlossen oder nicht vorhanden. Endlich, nach gut anderthalb Stunden Suche entdecken wir ein Hotel. Keine Frage, wir halten und mieten ein Zimmer. Und wir haben Glück! Durch Zufall sind wir in einem äußerst sauberen, äußerst gut gelegenen Hotel gelandet. Und natürlich werden wir später auf unseren Spaziergängen durch die Stadt unzählige weitere Hotels finden…

Das Hotel Galaxy ist etwas ganz besonderes. Nicht nur, daß wir dort sehr freundlich behandelt werden (man gibt mir meinen Ausweis sogar schon zurück, ehe wir unsere Rechnung beglichen haben…). Trotz seines eher modernen Äußeren ist der Bau im epirotischen Stil eingerichtet mit viel Holz und Schnitzerei. Und im Aufzug läuft, sobald er anfährt, der Sirtaki aus Alexis Zorbas. Keine Frage, wir fangen schon die ersten Takte an zu singen, wenn wir nur vor dem Aufzug stehen oder gar über die Treppe in den ersten Stock gehen.

Prof. Dr. Katerini Liampi, herausragende Kennerin vor allem der nordgriechischen Numismatik und Vorstand des Instituts für Klassische Studien an der Universität von Ioannina, hat nicht sofort Zeit. Sie muß in ihre monatliche Sitzung, und zwar heute und morgen. Da treffen sich alle Mitglieder der Fakultät, immerhin 40 Lehrkräfte, und versuchen, sich über die anstehenden Probleme einig zu werden, was keine leichte Aufgabe ist. Dauert die Sitzung am Donnerstag rund vier Stunden, muß die arme Katerini am Freitag noch einmal rund neun Stunden „sitzen“. In der Heimat der Demokratie wird eben so lange verhandelt, bis alle erschöpft und einig sind.

Katerini Liampi zeigt uns ein wunderschönes Restaurant hoch über Ioannina im epirotischen Stil. Foto: UK.

So wird es also halb neun, ehe wir uns mit Katerini treffen. Wir fahren mit dem Taxi in ein wunderschönes Restaurant hoch über Ioannina. Seine Einrichtung stammt aus verschiedenen alten Häusern des Epirus, die abgerissen worden waren.
Hier lernen wir unter kundiger Anleitung, daß griechisches Essen nicht nur aus Moussaka, Tzaziki und Ouzo besteht. Richtig verblüfft sind wir über den typisch epirotischen Aperitif. Er heißt Raki wie die türkische Variante des Ouzo, schmeckt aber weder wie das eine noch das andere.
Als typische Vorspeise bekommen wir ein ausgezeichnetes Fladenbrot, gefüllt mit Spinat und verschiedenen lokalen Kräutern, dazu Teigpäckchen, in denen sich verschiedene Käse befinden und – besonders lecker – ein geräucherter, gebackener Käse.
Nach dieser exorbitanten Vorspeise versuchen wir etwas Kleineres als Hauptgericht zu erwischen. Keine Chance, die zwei Auberginen mit ihrer delikaten Hackfleischfülle sind sehr ausgiebig! Und dann wird – wie in Griechenland üblich – noch ein kleiner (unbestellter) Nachtisch serviert!
Nur gut, daß wir vor lauter interessanten Gesprächen nicht dazukommen, darüber nachzudenken, wie viel zuviel wir eigentlich gegessen haben. Katerini Liampi erzählt uns, daß in Ioannina jährlich rund 300 Studenten beginnen, Altertumswissenschaften zu studieren. Sie können sich später auf Archäologie, Geschichte, Philologie oder Numismatik spezialisieren.
Überhaupt, Ioannina ist ein richtiges numismatisches Zentrum. Katerini Liampi wird angefragt, wenn irgendwo auf einer griechischen Grabung spannende Münzen auftauchen. Und natürlich gibt sie uns einen genauen Tagesplan, was wir morgen alles ansehen sollen. Der Plan ist allerdings so umfangreich, daß wir wohl eher drei bis vier Tage für das Programm brauchen werden als einen Tag.

8. Tag, 17. Juni 2011, die Stadt des Löwen von Janina
Wir sind die griechische Zeiteinteilung einfach noch nicht gewöhnt. Erstens ist die westeuropäische Zeit genau eine Stunde hinter der osteuropäischen Zeit, die in Griechenland benutzt wird. Und dann dauert ein Abendessen, das erst um halb neun anfängt, einfach seine Zeit. Kurz und gut, wir hatten zwar großartige Pläne, früh aufzustehen an diesem Tag, aber es wurde dann doch neun Uhr, ehe wir uns ans Frühstücken machten.

Im Hotel war man darüber eher erschrocken. Zwar bot das Galaxy ein Frühstück zu 6 Euro pro Person an, aber man war augenscheinlich eher nicht daran gewöhnt, daß sich einer der Touristen dieses Angebots bedient. So entstand rege Betriebsamkeit, als wir beide das Frühstückszimmer betraten. Endlich, endlich fand der Hotelportier ein Zimmermädchen, das uns nach geraumer Zeit einen Helleniko und einen Tee auftischte, dazu für jeden eine riesige Portion süßen Kuchens, drei Stück Zwieback und zwei abgepackte Portiönchen Marmelade. (Um es vorwegzunehmen, am nächsten Tag frühstückten wir sehr zur Beruhigung des Personals nicht mehr im Hotel…)

Das archäologische Museum von Ioannina. Foto: KW.

Unser erster Weg führte uns ins archäologische Museum, wo Katerini uns schon angemeldet hatte. Dementsprechend wurden wir äußerst vorkommend empfangen, erhielten den prachtvollen Katalog zu einer Sonderausstellung über Alexander den Großen, die mit Material der Alpha-Bank ausgestattet gewesen war, und dazu den Katalog des Museums, seinerseits mit wunderschönen Aufnahmen der phantastischen Objekte, die hier in Ioannina zu finden sind.

Das Innere des Museums von Ioannina. Foto: KW.

Ein Besuch des Museums von Ioannina lohnt sich auf jeden Fall. Und das nicht nur, weil der bekannte griechische Architekt Aris Konstantinides es erbaut hat. Hier sind die wichtigsten Funde aus den großen Grabungen im Epirus untergebracht. All die Orakeltäfelchen aus Dodona, hier kann man sie sehen. Dazu entdeckt man das Inventar von Gräbern, und natürlich das Material aus der Ausgrabung des Nekromanteions.

Ein ganzer Raum für die Numismatik. Foto: KW.

Und dann merkt man, daß in Ioannina eine Numismatikerin vom Format einer Katerini Liampi sitzt. Ein ganzer Raum ist für die Münzen reserviert. Hier gibt es eine Vitrine mit den Prägungen aller Münzstätten des Epirus – dabei tauchen Namen auf, die selbst ein langjähriger Numismatiker noch nie gehört hat. Eine weitere ist den Fundmünzen und den Schatzfunden gewidmet. Dann gibt es etwas über die Münzprägung der epirotischen Liga. Nicht zu vergessen, zwei weitere Vitrinen im Museum: eine mit den Bildern der im Epirus verehrten Götter, eine weitere zu den Molosser-Herrschern.
Ja, im archäologischen Museum von Ioannina spielt die Numismatik sicher keine Nebenrolle. Also, wenn Sie die Chance haben, Ioannina zu besuchen, zögern Sie nicht das archäologische Museum zu besuchen. Sollten Sie des Griechischen mächtig sein, versäumen Sie nicht, hier zu klicken, um die Website des Museums zu besuchen. Und für diejenigen, die diese Sprache nie gelernt haben, es gibt auf der Website auch Bilder von den schönsten Objekten des Hauses.

Fetiye Moschee mit dem Grab Ali Paschas davor. Foto: KW.

Katerini hatte es uns ans Herz gelegt, unbedingt das Kastro zu besuchen, die Altstadt von Ioannina. Diese Stadt ist nämlich eine der ganz wenigen in Griechenland, in denen das osmanische Erbe genauso liebevoll gepflegt wird wie das griechische. Hier stehen zwei bedeutende Moscheen, die bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts noch benutzt wurden.
Ein Name fällt immer wieder, wenn es ums Kastro geht, der des Ali Pascha, den die meisten Westeuropäer höchstens noch als Versatzstück aus dem Roman „Der Graf von Monte Christo“ kennen. Erinnern Sie sich? Fernand Mondego hatte – so Dumas – versprochen, sich um Weib und Tochter Ali Paschas zu kümmern. Stattdessen verkaufte er sie nach dessen Tod in die Sklaverei. Der Graf von Monte Christo machte Haydée, die Tochter des Paschas, ausfindig, um sie in seinem Rachefeldzug gegen den Verräter zu benutzen.

Ali Pascha, der Löwe von Ioannina. Foto: KW.

Ali Pascha oder auch Tepelene Pascha (*1740) stammte aus einem mächtigen albanischen Clan. Sein Vater wurde von einem feindlichen Stamm ermordet, als der junge Ali gerade einmal 14 Jahre war. Die Familie verlor Besitz und Einfluß, und Alis Mutter wurde Anführerin einer Räuberbande. Ali Pascha paßte sich schnell an. Er wurde zu einem Räuberhauptmann, der die Aufmerksamkeit der osmanischen Verwaltung auf sich zog. Die hohe Pforte nahm ihn in ihren Dienst, zunächst um im offiziellen Auftrag die räuberischen Banden auszumerzen, später wurden die Truppen Alis an allen möglichen Brennpunkten des osmanischen Griechenlands eingesetzt.
Ali Pascha stieg die Karriereleiter empor. Und im Jahr 1788 gelang ihm sein großer Coup: Er bemächtigte sich der Stadt Ioannina und baute dort sein eigenes, unabhängiges Reich auf. Der „mohammedanische Napoleon“ oder der „Löwe von Janina“, wie er im Westen genannt wurde, verbündete sich mit jedem, wenn die Vorteile nur groß genug für ihn waren.
Im Jahr 1809 besuchte Lord Byron den einstigen Albanischen Räuberfürst und schrieb bewundernd über ihn, er sei „überlegen in Reichtum, Verfeinerung und Lernbereitschaft“. In seinen Privatbriefen war der Philhellene nicht so zurückhaltend. Er kritisierte Ali Paschas Grausamkeit und spekulierte über dessen großen Harem, in dem Männer und Frauen auf die Wünsche des Paschas warteten.
Im Jahr 1820 befahl Mehmed II., die Autorität der Hohen Pforte wieder herzustellen und die Macht Ali Paschas zu brechen. Zwei Jahre konnte sich der Herr von Janina behaupten, dann nahmen im Januar 1822 osmanische Truppen seinen letzten Rückzugsort auf einer Insel im See von Ioannina ein. Am 5. Februar 1822 wurde Ali Pascha im Alter von 80 Jahren erschossen, sein Kopf dem Sultan in Konstantinopel geschickt.
Sein Grab fand er vor der Fethiye Moschee im Kastro von Ioannina, wo es heute noch eine zentrale Sehenswürdigkeit ist. Das Gitter über seinem Grab wurde erst vor einigen Jahren nach alten Vorbildern rekonstruiert.

Das byzantinische Museum von Ioannina. Foto: KW.

Direkt neben dem Grab Ali Paschas liegt das byzantinische Museum von Ioannina, das sich für jeden Liebhaber byzantinischer Kunst lohnt.

Ausschnitt aus einer Ikone mit Darstellung des Jüngsten Gerichts: Konstantin und Helena. Foto: KW.

Nicht nur prächtige Ikonen sind dort zu finden…

Schatzfund im byzantinischen Museum von Ioannina. Foto: KW.

…sondern auch jede Menge Münzen und vor allem Schatzfunde.

Schatzfund mit spanischen und einer polnischen Münze. Foto: KW.

Besonders interessant hinsichtlich des Geldumlaufs ist ein Schatzfund aus dem 17. Jahrhundert, in dem 10 spanische und eine polnische Münze enthalten sind.

Das Silbermuseum. Foto: KW.

Teil des byzantinischen Museums ist das Schatzhaus, in dem Silberobjekte untergebracht sind, für die die Silberschmiede von Ioannina berühmt waren. Sie hatten sich zu einer Gilde zusammengeschlossen, die für die gleichbleibende Qualität der Ware garantierte.

Gürtelaufsatz; Teil der weiblichen Tracht von 1856. Foto: KW.

Die Objekte gehörten ursprünglich dem Erzbischof Spiridon und einem Privatsammler namens Ioannidis. Sie kamen durch eine Schenkung in den Besitz des Museums.

Firmenschild einer griechischen Bank. Foto: KW.

Hier noch ein paar Impressionen von den Straßen Ioanninas. Aufgefallen ist uns natürlich das Firmenschild der Ate-Bank, das als Logo die Vorderseite einer Münze der Delphischen Amphiktionie zeigt.

Rückfront eines Transportwagens für Beton. Foto: KW.

Und an dem Beton mit dem Herakleskopf hatten wir jedes Mal Spaß, gleich ob wir ihm auf einem Lastwagen begegneten oder auf riesigen Silos.

Plakat: Aufruf zu Protesten gegen die Regierung(?). Foto: KW.

Während die internationalen Medien heute natürlich ausführlich über die Situation Griechenlands berichteten, merkte man in Ioannina kaum etwas von den gewalttätigen Protesten, wie sie in Athen das Straßenbild zu prägen scheinen. Das einzige, was in diese Richtung wies, war dieses Plakat.
Wir mußten schon die deutschen Nachrichten schauen, um mitzubekommen, daß heute der griechische Finanzminister ausgewechselt worden war.

In einer Kneipe am Ufer des Sees von Ioannina. Links: Ursula Kampmann; rechts: Katerini Liampi. Foto: KW.

Am Abend lud uns Katerini Liampi an einen Lieblingsort der Studenten von Ioannina ein. An der Seepromenade gibt es Dutzende von kleinen Kneipen, in denen man prachtvoll sitzen und über das Leben philosophieren kann. Diese Kneipen gehören mit zum Studentenleben, auch wenn es manchmal schwer scheint, sie mit dem studentischen Alltag unter einen Hut zu bringen. Katerini berichtete von den Klagen mancher Studenten, die um 9.00 in ihrer Vorlesung sitzen sollen, wo sie doch viel lieber ausschlafen würden, nachdem sie erst um 4.00 früh ins Bett gefunden haben…

Und so verabschieden wir uns an diesem Abend von Katerini Liampi und von Ioannina, das durch die unglaubliche Gastfreundschaft Katerinis noch liebenswerter wurde, als es sowieso schon war.

Begleiten Sie uns in der nächsten Woche in das Machtzentrum der Makedonenkönige und rätseln Sie mit uns, wo nun wirklich Aigai liegt…

Alle weiteren Teile des Tagebuchs finden Sie hier.