Quo Vadis: Was bringt Ersttags-Grading für Sammler?

[bsa_pro_ad_space id=4]

von Ursula Kampmann

16. Oktober 2014 – Bislang sammelte man Münzen nach Themengebieten und Interesse. Nun scheint ein neues Sammelgebiet zu entstehen: Erstausgaben – von der Münzstätte direkt in den Holder. Die eindeutige Verbindung einer bestimmten Information mit einer Münze durch den Plastikholder eröffnet Möglichkeiten, an die bis dahin niemand dachte. War bisher die erste von der letzten Münze einer Emission nicht zu unterscheiden, macht der Slab dieses neue Sammelgebiet überhaupt erst möglich.

Über ein zusätzliches Grading des Ausgabedatums wird eine künstliche Auflagenverkleinerung selbst umfangreicher Serien erreicht, die derzeit äußerst effektiv einzelnen Stücken einen höheren Wert verschafft. Die Frage ist, wer bei diesem Spiel auf die Dauer der Gewinner bleibt.
Die Münzstätte sicher nicht. Kein Wunder, dass die US-Mint nach den unerfreulichen Begleiterscheinungen des Verkaufs ihres goldenen Kennedy Half Dollars an der ANA Münzbörse den dritten Verkaufstag abgesagt hat.
Sichere Gewinner sind die Grading-Firmen. Sie gewinnen so zusätzliche Kunden, die sich mit dem Ersttags-Grading einen immateriellen Wert bestätigen lassen, der anders nicht zu verifizieren ist.
Wie aber ist es mit dem Sammler? Hat er die Ersttagsausgabe direkt von der Münzstätte gekauft, kann er sich nach dem Grading über einen schnellen Wertzuwachs freuen. Aber ist dieser Wertzuwachs beständig? Werden auch in Zukunft Sammler und vor allem Investoren bereit sein, für eine Ersttags-Ausgabe mehr zu zahlen als für eine „normale“ Münze? Ist der hübsche Aufkleber und das bisschen Plastik um die Münze herum dem Sammler ein Vielfaches des Marktpreises einer ungegradeten Münze wert? Das bleibt abzuwarten.

Freilich, bei den Briefmarken kennt man Ersttagsbriefe als beliebtes Sammelgebiet. Allerdings müsste das eher erschrecken. Kein Sammelgebiet hat in den vergangenen Jahren mehr an Glaubwürdigkeit verloren als Briefmarken. Wer die Neuausgaben eines Landes im Abonnement bezogen hat, kann jetzt damit seine Post frankieren (sofern er so schlau war, ungestempelte Briefmarken zu sammeln). Briefmarkenhändler kaufen die einstigen Sammelobjekte nur mit hohen Abschlägen. Hier wurde in den vergangenen Jahrzehnten ein beliebtes Sammelgebiet kaputt gemacht, weil zu viele Ausgaben für zu viel Geld mit zu wenig Gegenwert verkauft wurden.

Doch nicht nur die Philatelie mahnt zur Vorsicht. Derzeit wird in den numismatischen Medien ein Pseudo-Skandal diskutiert, der sich um widersprüchliche Zahlen bei den gegradeten Ersttags-Ausgaben dreht. Die Ausgabezahlen des goldenen Kennedy Half Dollars in Chicago stimmen nämlich nicht überein mit den Zahlen der Gradingfirmen. Während die US Mint 1.500 Stück auf der ANA-Münzbörse verkauft hat, haben ANACS, NGC und PCGS 2.113 bewertet. Wie ist die Differenz zu erklären?
Nun, die Lösung ist einfach, spiegelt aber das Problem mit dem Ersttags-Grading. Die US Mint verkaufte an verschiedenen Orten die Gedenkmünzen. Gegradet wurden sie nur auf der ANA. Was lag also für den Besitzer eines „normalen“ Stücks näher, als schnell nach Chicago zu fahren, um so den Wert seiner Münze durch ein Grading um ein Vielfaches zu steigern? Und wie hat man nun das Label auf der Münze zu deuten?

ANACS und NGC bestätigten mit ihren Verpackungen, dass es sich um Erstausgaben der ANA Chicago handelt und ließen sich zu diesem Zweck die Verkaufsquittungen vorlegen. PCGS versah alle bewerteten Münzen mit dem Etikett „ANA Chicago“. Dies wird als ein kleiner Eklat gewertet. Doch stellt sich die Frage, ob eine „Erstausgabe“ wirklich mehr oder weniger Wert hat, je nachdem, an welchem Ort sie verkauft wurde.
CoinWeek gegenüber äußerte der Präsident von PCGS, Don Willis, jedenfalls: „Alle JFK-Münzen, die PCGS in Chicago bewertet hat, wurden auch in Chicago eingereicht. Wir denken, dass all diese Münzen in Chicago verkauft worden sind, aber wir können nur garantieren, dass sie in Chicago eingereicht wurden.“ Lediglich für einen Teil der eingereichten Münzen hat PCGS Kontrollen durchgeführt: „Jede JFK-Münze mit dem Etikett ,First Day of Issue‘ (,Erster Ausgabetag‘), egal von welcher Prägeanstalt, musste sehr strenge Anforderungen erfüllen. Wir können garantieren, dass diese Münzen an dem Tag in den jeweiligen Orten verkauft worden sind.“
Das dürfte zu Verwirrung führen. Heißt „ANA Chicago“ auf einem Label nun, dass die Münze dort ausgegeben und gekauft, oder lediglich gegradet wurde? Was ist wie viel wert? Und gerade diese Frage ist alles andere als theoretisch.

Gleich nach der Ausgabe des goldenen Kennedy Half Dollars zum Preis von $1.240 zahlte eine Firma für die ersten vier „First Issue“-Münzen $20.000! Auch danach konnten viele „Sammler“ ihre eben erst gekauften Stücke für $3.300 weiterverkaufen. Später sank der Preis, aber klar ist: Mit den verschiedenen Etiketten ließ sich an der ANA viel Geld machen.

Der Trend ist klar. Bald wird jede Grading-Firma für jede Münzstätte eigene Ersttags-Gradings anbieten, sofern man sich davon genügend Gewinn verspricht. Die Frage bleibt, ob dieses Angebot angenommen wird. Vielleicht bürgern sich ja Ersttags-Ausgaben als Sammelgebiet ein. Vielleicht verlieren ein paar besonders clevere Investoren damit richtig viel Geld. Wir sind gespannt, wie sich die Ersttags-Idee im Münzbereich weiter entwickelt.

PS. In Deutschland gab es schon einmal einen Hype um Ersttags-Münzen in Plastik. Die kleinen Säckchen, mit denen man in ganz Europa die Bürger mit ihren neuen Euro-Münzen vertraut machen wollte, wurden zu irrsinnigen Preisen gehandelt, sofern sie aus den richtigen Ländern stammten. Die Preise sind ziemlich heruntergekommen. Für ein deutsches Starterkit bekommt man derzeit – wenn man riesiges Glück hat – ca. 5 Euro über dem Nominalwert des Inhalts. Einzig die Bewohner des Vatikans können sich freuen. Ihr Starterkit ist rund 500 bis 600 Euro wert, rund 20 % weniger, als alle darin enthaltenen einzelnen Münzen es in perfekter Erhaltung wären.

Chinesische Münzen kann man bei NGC schon mit einem besonderen Ersttags-Label graden lassen.

Über das Zahlenspiel anlässlich der ANA ist ein ausführlicher Artikel bei CoinWeek erschienen.

Über den Hype um den goldenen Kennedy Half Dollar berichteten wir natürlich.