Im Glanz der Zaren: Die Romanows, Württemberg und Europa

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17. Oktober 2013 – Die Große Landesausstellung führt den „Glanz der Zaren“ in seiner ganzen Vielfalt vor Augen. Kostbare Objekte vermitteln eine Ahnung von der Pracht des Zarenhofs und dem unermesslichen Reichtum der Romanows. Luxuriöse Gebrauchsgegenstände, Prunkservice und Schmuck aus der Aussteuer der Zarentöchter Katharina und Olga sorgten im armen und bescheidenen Königreich Württemberg für Aufsehen.

Großfürstin Katharina Pawlowna (1788-1819), spätere Königin Katharina von Württemberg Aquarell auf Elfenbein, Wien, 1815. © H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart.

Von der Selbstinszenierung und dem vornehmen Auftreten, aber auch vom Charakter der Fürstinnen zeugen eindrucksvolle Porträts.
Jenseits des materiellen Glanzes sind andere Objekte gleichsam von der ehrwürdigen Aura des Zarentums mit seinen Traditionen umgeben. So erinnert das Krönungskleid der „württembergischen“ Zarin Maria Fjodorowna an das theatralische Krönungszeremoniell.

Schuhe zum Krönungskleid Maria Fjodorownas Glanzbrokat, Seide, Feinleder, Seidenband, Russland, 1796. © Staatliches Kulturhistorisches Museum-Reservat „Moskauer Kreml“.

Vor seiner Präsentation in Stuttgart – zusammen mit äußerst modischen Krönungsschuhen – hatte das silberbestickte Kleid seinen Aufbewahrungsort, die Schatzkammer im Kreml, noch nie verlassen. Krönungsalben aus Privatbesitz belegen, dass zur Erinnerung an die Krönungsfeierlichkeiten der beiden letzten Zaren aufwendige Buchpublikationen Verbreitung fanden.
So wie beim Krönungsritual in der Maria-Entschlafens-Kathedrale des Kreml die göttliche Einsetzung des Herrschers symbolisch vollzogen wurde, ist für das Zarentum insgesamt das Festhalten an den Traditionen der orthodoxen Kirche charakteristisch. Es erstaunt daher nicht, dass die Romanows von den eingeheirateten Württembergerinnen den Übertritt von der protestantischen zu orthodoxen Konfession erwarteten – der mit einer erneuten Taufe und dem Namenswechsel verbunden war. Umgekehrt ließen sich die Romanow-Töchter das Recht zur Ausübung ihrer orthodoxen Religion in Württemberg per Ehevertrag zusichern. In den von ihnen bewohnten Gebäuden in Stuttgart wurden Kapellen eingerichtet.

Weihrauchgefäß aus dem Besitz der Königin Katharina von Württemberg. Silber, Kupfer, Moskau, 1809. © Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Schloss Ludwigsburg, Foto: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg.

Vom Glanz der orthodoxen Liturgie sprechen sakrale Gegenstände aus der Mitgift und dem persönlichen Besitz Katharinas, wie Ikonen, ein Tabernakel, eine Abendmahlsgarnitur aus Jaspis und Gold oder ein Weihrauchgefäß.

Medaille auf die Silberhochzeit von König Karl und Königin Olga von Württemberg. MK 12988.

Einblick in die prachtvoll ausgestatteten Andachtsräume Königin Olgas im Neuen Schloss und im Kronprinzenpalais gewähren zeitgenössische Aquarelle. Und von der nach orthodoxem Ritus vollzogenen Trauung Weras mit dem württembergischen Herzog Eugen zeigt die Ausstellung russische Trauungskronen.

Karl-Olga-Medaille für Verdienste um das Rote Kreuz. AM 2289-1.

Das repräsentative Leben am Hof findet im Idealfall einen entsprechenden Ausdruck in kulturellem Glanz. Dieser zeigt sich, wie die Ausstellung am Beispiel seiner adligen Protagonistinnen verdeutlicht, in der Wertschätzung von Wissenschaft, Dichtung, Musik und Bildender Kunst. Beachtung finden auch die ausgedehnten (Bildungs-) Reisen der fünf Frauen, bei denen sie teils auch als Sammlerinnen und Förderinnen von Kunst auftraten. Dem kulturellen Leben in St. Petersburg verlieh besonders die aus Württemberg stammende Großfürstin Elena Pawlowna höchsten Glanz. Anhand von Gemälden und Möbeln erhalten die Besucher Einblick in den Michailowski-Palast, einen der vornehmsten Paläste der Kapitale. Hier traf man sich bei erlesenen Salonveranstaltungen und bei musikalischen Soireen, hier waren Literaten, Wissenschaftler, aber auch Musiker wie Anton Rubinstein oder Richard Wagner zu Gast.

Medaille auf die Grundsteinlegung des Katharinenhospitals. MK 12849.

Der Glanz der Zaren manifestiert sich nicht zuletzt in der Wohnkultur mit ihren privaten und repräsentativen Räumen. Erlesene Möbel, darunter ein Schreibschrank von Königin Katharina, Einrichtungsgegenstände, aber vor allem detaillierte zeitgenössische Ansichten aus Palast- und Schlossräumen in Stuttgart und St. Petersburg lassen den Betrachter in prächtige und liebevoll arrangierte Interieurs blicken. Ganz besonders die „Porträts“ der Räume im Stuttgarter Kronprinzenpalais, im Neuen Schloss oder der Villa Berg im Olga-Album geben Aufschluss darüber, welche Akzente die Zarentochter in der Innenausstattung setzte und wie sie sich an russischen Vorbildern orientierte.

Karl-Olga-Medaille für Werke der Nächstenliebe. MK 2260.

Ihre glanzvolle Position und ihr Reichtum hat die Fürstinnen nicht blind gemacht für Armut, Hunger und Krankheit in der Bevölkerung. Das zeigt die beeindruckenden Vielfalt der von ihnen gegründeten oder unterstützten sozialen Einrichtungen. Manche dieser Institutionen haben bis heute Bestand. Die Ausstellung verdeutlicht, dass das soziale Engagement zwar traditionell zu den Aufgaben der weiblichen Mitglieder des Zarenhauses gehörte, von den fünf Frauen aber als Antwort auf die jeweiligen Anforderungen ihrer Zeit mit persönlichem Einsatz und Ideenreichtum wahrgenommen wurde.

Schreibset der Herzogin Wera Konstantinowna, Russland, um 1880. © Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart.

Damit die Individualität der weiblichen Hauptfiguren nicht neben dem repräsentativen Glanz der dynastischen Verbindungen verblasst, lässt die Ausstellung auch Raum für private Zeugnisse. So sind Erinnerungsstücke an die Heimat und an geliebte Verwandte aus dem Besitz der Fürstinnen zu sehen: das Nähkästchen der Mutter Maria Fjodorownas, Tassen mit Porträts von Familienmitgliedern oder die Mineraliensammlung von Königin Olga. Persönliche Dokumente wie Briefe, ein Reisetagebuch, kleine Zeichnungen und Familienfotos künden von Heimweh, Erlebnissen und dem Familiensinn der Fürstinnen.
Schließlich präsentiert die Ausstellung auch private Objekte wie Rauchset und Lorgnon von Herzogin Wera, aber auch solche, die gleichsam als Reliquien oder Zeugnisse eines frühen Starkultes überliefert wurden, etwa Handschuhe und – für sich gesehen – wertlose Schreibutensilien der früh verstorbenen Königin Katharina.

Fünf Ehen zwischen den Häusern Romanow und Württemberg
Geschichte fasziniert immer dann, wenn mit den historischen Vorgängen Menschen in Verbindung stehen, die der „großen Politik“ ein Gesicht verleihen. Mit der zunehmenden Öffnung des Russischen Reiches nach Mittel- und Westeuropa seit Peter dem Großen, kam den Wechselheiraten der in Russland herrschenden Romanows mit europäischen Adelsfamilien als Mittel der Politik eine wachsende Bedeutung zu. Besonders zahlreich waren seit Beginn des 18. Jahrhunderts dynastische Ehen mit deutschen Fürstenhäusern, darunter auch mit dem kleinen Württemberg. Während der Regierungszeit der sechs letzten Zaren prägten fünf russisch-württembergische Ehen die gemeinsame Geschichte.

Königin Olga, Herzogin Wera und ihre Kinder Olga und Elsa in der Kutsche. Justus Hermann Fleischhauer (1816-1885), Öl auf Holz, Stuttgart, 1862. © H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart.

Im Fokus der Großen Landesausstellung „Im Glanz der Zaren“ stehen die weiblichen Protagonisten dieser fünf dynastischen Verbindungen: die württembergischen Prinzessinnen Sophie Dorothee und Charlotte sowie die Großfürstinnen Katharina, Olga und Wera aus dem Hause Romanow.

Offizielle Hofrobe am Zarenhof zu Zeiten Großfürstin Olgas Muar, Seide, Samt, Goldfaden, Gaze, Russland, 2. H. des 19. Jh. © Staatliches Kulturhistorisches Museum-Reservat „Moskauer Kreml“.

Es sind fünf beeindruckende Persönlichkeiten, die, obgleich „nur“ Ehefrauen, ihre Handlungsmöglichkeiten in Politik und Gesellschaft geschickt und mit Charisma zu nutzen verstanden. Ihre Position und die Zugehörigkeit zu zwei Kulturen machten sie zu idealen Vermittlerinnen zwischen Württemberg und Russland. Dank ihrer Bildung, ihres Wohlstands und ihres wachen Blicks auf soziale Nöte konnten sie die Verhältnisse in ihrer jeweils neuen Heimat in besonderer Weise mitgestalten.

Saal Zarin Maria Fjodorowna. Foto: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg.

Mit der Krönung von Michail Romanow zum Zaren im Jahr 1613 hatte die mehr als drei Jahrhunderte währende Herrschaft der Romanows in Russland begonnen. Vierhundert Jahre später nimmt das Landesmuseum Württemberg dieses Datum zum Anlass, mit der Großen Landesausstellung im Alten Schloss in Stuttgart an die russisch-württembergischen Beziehungen im europäischen Kontext zu erinnern. Betrachtet werden die Jahre zwischen 1776 und 1912 – von der Heirat Sophie Dorothees, einer Nichte Herzog Carl Eugens von Württemberg, mit Großfürst Paul, dem Sohn Katharinas der Großen, bis zum Tod Wera Konstantinownas, einer Enkelin von Zar Nikolaus I. und Ehefrau von Herzog Eugen von Württemberg.
Die Eheschließungen werden vor dem Hintergrund der wichtigen politischen Ereignisse dieser Jahre in Europa beleuchtet: Aufstieg und Fall Napoleons, Revolution von 1848, preußisch-österreichischer Dualismus, Krimkrieg und deutsche Reichsgründung. Die Ausstellung schließt mit einem Ausblick auf das Ende der Monarchie in Russland und Württemberg. Verglichen mit den gewaltigen politischen Umwälzungen, die im Februar 1917 zur Abdankung von Zar Nikolaus II. und 1918 zur Ermordung der Zarenfamilie führten, fiel die Revolution in Württemberg gemäßigt aus: Das Königreich schaffte 1918 ohne Blutvergießen die Wende zur bürgerbestimmten Republik.

Saal Königin Olga. Foto: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg.

Schauplatz der Ausstellung ist das Alte Schloss in Stuttgart. Ein Ort, der in mehrfacher Hinsicht Bezüge zum Thema aufweist: Hier wurde 1846 die Aussteuer der frisch verheirateten württembergischen Kronprinzessin Olga Nikolajewna Romanowa in ihrer überwältigenden Fülle erstmals dem staunenden Stuttgarter Publikum präsentiert. Und hier – in der Gruft unter der Schlosskirche – haben zwei weibliche Mitglieder des Hauses Romanow, Olga Nikolajewna und Wera Konstantinowna, ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Für detaillierte Informationen zur Ausstellung besuchen Sie die Internetseite der Großen Landesausstellung.

Artikel zur neuzeitlichen Numismatik Russlands finden Sie übrigens auch in unserer Archikategorie Neuzeit / Russland.