Umkehr der Beweispflicht

[bsa_pro_ad_space id=4]

von Ursula Kampmann

8. Mai 2014 – Es rückt näher: In der Europäischen Union wird es demnächst eine neue Richtlinie geben, die dazu dienen soll, die Rückgabe von Kulturgut zu organisieren, das unrechtmäßig außer Landes gebracht wurde. Das Europäische Parlament hat sie bereits angenommen. Die aktuelle Änderung der Richtlinie 93/7/EWG stellt eine wesentliche Verschärfung zur bisherigen Praktik dar.

Laut einer von Brüssel publizierten Pressemeldung werden sich folgende Dinge ändern:

„Der Geltungsbereich wird auf alle Kulturgüter ausgeweitet, die als „nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert“ eingestuft sind (wer die Einstufung eines Objekts in diese Kategorie vornehmen wird, scheint offen. Anm. d. Verf.). Nach der Richtlinie 93/7/EWG kommen für eine Rückgabe lediglich bestimmte Kategorien nationaler Kulturgüter in Frage, die zu öffentlichen Sammlungen gehören oder im Bestandsverzeichnis kirchlicher Einrichtungen aufgeführt sind.

Ein elektronisches Hilfsmittel, das Binnenmarkt-Informationssystem, soll die Verwaltungszusammenarbeit, Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den nationalen Behörden erleichtern.

Die Frist für Rückgabeklagen wird von einem Jahr auf drei Jahre verlängert.“

Am verheerendsten wirkt sich aber die letzte Änderung aus:

„Der Eigentümer trägt künftig die Beweislast, wenn er bei Rückgabe eines Kulturgutes an sein Ursprungsland eine Entschädigung beantragt, d. h. er muss nachweisen, dass er sich beim Erwerb des Kulturgutes mit der erforderlichen Sorgfalt von seinem Ursprung überzeugt hat. Außerdem sieht die neue Richtlinie einen nicht erschöpfenden Kriterienkatalog vor, der zu einer einheitlicheren Auslegung des Begriffs der „erforderlichen Sorgfalt“ seitens des Eigentümers beitragen soll.“

Mit anderen Worten dürfte das bedeuten, dass jeder, dessen Sammlung in den Fokus eines Staates gerät, nach der Beschlagnahmung nachweisen muss, dass er bei seinem Kauf die „erforderliche Sorgfalt“ hat walten lassen. Was dieser überstrapazierte Wischiwaschi-Begriff bedeutet, das kann sich immer wieder je nach Lust und Laune der EU ändern, da es dafür einen „nicht erschöpfenden Kriterienkatalog“ gibt.

Besonders bedrohlich ist die Tatsache, dass diese Regel auch bei Objekten mit Wert „0“ zur Anwendung kommen kann, sobald es sich um archäologische Gegenstände handelt – und wie wir uns gut erinnern, haben einige staatliche Kulturgutaktivisten mit großem persönlichem Engagement Prozesse gegen Münzsammler geführt, indem sie deren Münzen als „archäologische Gegenstände“ definiert haben. Ermutigend ist allerdings das Urteil eines Münchner Richters, der jeder Münze absprach „archäologisch“ zu sein, sobald sie aus dem archäologischen Kontext entfernt sei.

Der Vorschlag wird nun dem EU-Rat vorgelegt. Nach der Genehmigung müssen die Mitgliedsstaaten innerhalb von 18 Monaten die Direktive in nationales Recht umsetzen. In jedem Mitgliedsland der EU scheint also in Zukunft ein angeklagter Münzsammler nachweisen müssen, dass er die notwendige Sorgfalt beim Kauf seiner Münzen angewandt hat.

Die ursprüngliche Durchführungsrichtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 finden Sie hier.

Die Pressemeldung des Europäischen Parlaments wurde hier veröffentlicht.

Wenn Sie dem Sprecher der Europäischen Kommissionen Ihre fundierte Meinung zu dieser Rechtsänderung mitteilen wollen, damit er sie an die zuständige Kommission weiterleiten kann, klicken Sie hier.