Zwanzig Jahre Belgas

von Franky Leeuwerck

„Auf den ersten Blick sah es aus wie ein ganz normales Zertifikat. Aber ich wunderte mich, dass es nicht den bekannten belgischen Franc als Währung angab, sondern eine Währung namens Belgas. Hagel und Granaten, was waren denn Belgas?“ Lesen Sie in Franky Leeuwercks spannendem Artikel, was es mit diesen Belgas auf sich hat.

Vor etwa zehn Jahren stieß ich auf eine belgische Anteilsaktie des Textilunternehmens Walburg aus der Stadt St.-Niklaas.

Walburg NV war ein Textilunternehmen aus St.-Niklaas. Dieser Drittelanteil einer Aktie der Unternehmensgründer von 1927 erwähnt ein Startkapital von 2.000.000 Belgas.

Auf den ersten Blick sah es aus wie ein ganz normales Zertifikat. Aber ich wunderte mich, dass es nicht den bekannten belgischen Franc als Währung angab sondern eine Währung namens Belgas. Hagel und Granaten, was waren denn Belgas?

Albert, König von Belgien. 1 Belga = 5 belgische Francs, 1932. Diese Nickelmünze wurde mit niederländischer Inschrift von 1930 bis 1933 geprägt. Weitere Informationen dazu unter: http://en.numista.com/catalogue/pieces504.html.

Ein starker belgischer Franc für König Leopold II.
1865 bestieg Leopold II. den Thron von Belgien. Seinerzeit wurden die meisten nationalen Währungen in Gold oder Silber geprägt. Im selben Jahr gründeten Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien und die Schweiz die Lateinische Münzunion (LMU). Die LMU-Länder verpflichteten sich, ihre Währungen an einen Standard anzupassen, der sich auf 45 g Silber zu 0,290322 g Gold bezog (ein Verhältnis von 15,5 zu 1) und die somit untereinander frei umtauschbar waren. In dieser Zeit, die bis zum Ersten Weltkrieg andauerte, galt der belgische Franc als stabile und starke Währung und spiegelte damit die Ambitionen des Königs wider, der eine stärkere Position Belgiens unter den größten Nationen anstrebte.

Reichsmark führt zu Inflation in Belgien
Während des Ersten Weltkriegs wurde die Reichsmark zur einzigen offiziellen Währung in Belgien. Am Ende des Krieges spielte sich die belgische Wirtschaft komplett in Reichsmark ab und wegen des Eintauschs gegen belgische Franc bewahrte die Regierung die überbewertete Währungsquote der Besatzer. So nahm man die kriegsbedingte Inflation mit in die Wirtschaft der Friedenszeit hinüber, was zu Preisanstiegen führte und zu einem Wertverlust des belgischen Francs.

Internationale Anleihe des Deutschen Reichs zu 5,5 % von 1930 in Belgas. Dieses Papier war Teil des Kredits, den Belgien für das Ansiedlungsprogramm der deutschen Weltkriegsreparationszahlungen aufbrachte („Young-Plan“).

In den folgenden Jahren fiel der Franc im Vergleich zu Pfund Sterling und US-Dollar immer stärker und führte zu einer Kapitalflucht aus Belgien. Zum Schluss sah sich die Regierung Poullet-Vandervelde gezwungen zurückzutreten. Harte Maßnahmen waren nötig, um die belgische Währung zu stabilisieren und die belgische Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen.

Detail des oben abgebildeten Anleihepapiers. Es legt fest, dass die Auszahlung in Belgas oder belgischen Francs erfolgt. Der Belga wird hier als 0,209211 g Feingold pro Belga festgelegt.

Belgien verlässt die Lateinische Münzunion und führt den Belga ein
Ende 1925 wünschte Belgien, wieder seine vollständige Geldautonomie zu erlangen und entschied daher, 1927 die LMU zu verlassen. Dies sollte das Ende der LMU bedeuten. Die Entscheidung Belgiens stellte einen klaren Bruch dar mit seiner monetären Ausrichtung auf den französischen Franc. 1926 erarbeitete die Regierung Jaspar ein Stabilisierungsprogramm für den belgischen Franc. Eine der vielen Teile des Plans war die Einführung der Währung Belga. Ein Belga entsprach fünf belgischen Francs. Um diese neue belgische Währung deutlich von anderen abzugrenzen, besonders gegen den französischen Franc, mussten sämtliche Umtauschgeschäfte in Belga erfolgen.

Der Belga existiert neben dem belgischen Franc
Dennoch verschwand der belgische Franc keineswegs, denn die neuausgegebenen Münzen und Geldscheine gaben stets den jeweiligen Wert sowohl in Belga als auch in belgischen Francs an.

Dieser Geldschein von 1943 über 1.000 belgische Francs oder 2.000 Belgas zeigt eine Klöpplerin bei der Arbeit. Bei den abgebildeten Bauwerken handelt es sich um eine Tuchhalle in Ypern und (am linken Rand) um die Grafenburg Gravensteen in Gent.

1927 kamen die ersten Geldscheine heraus, die beide Währungen erwähnten, drei Jahre später traten die „Belga-Franc“-Münzen auf den Markt. Jedenfalls war der Plan erfolgreich und stabilisierte das belgische Währungssystem.

Société des Chemins de Fer Vicinaux du Congo (Vicicongo) – nicht ausgegebenes Zertifikat über vier Jahre Laufzeit zu 6% über 100 Belgas, gedruckt in der Imprimerie Industrielle et Financière, 1933.

Die neue belgische Währung blieb ein Intermezzo
Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie wieder von der Reichsmark ersetzt. Nach dem Krieg verschwand der Belga sofort, der belgische Franc hingegen blieb in Verwendung. An den belgischen Märkten und im Alltag war der Belga nie wirklich akzeptiert. Die Belgier rechneten weiter in belgischen Francs. Ohne weitere Klage verschwand der Belga offiziell am 8. Januar 1946 aus der Welt.

Wie steht es um den Belga in der Scripophilie?
Bislang ist nur eine Handvoll Belga-Zertifikate bekannt, und sie sind sehr selten. Nur um eine Vorstellung zu geben: Ich schätze, dass Belga-Zertifikate weniger als 0,05 % aller belgischen Zertifikate ausmachen. Zumeist weisen diese Stücke eine unansehnliche Gestaltung auf, wohl der Hauptgrund dafür, dass sie keine hohen Preise erzielen.

Vicicongo (Chemins de Fer Vicinaux) baute zwischen 1924 und 1937 die Uélé-Bahnstrecke (Chemins de fer des Uele), die Aketi mit Mungbere verband.

Der Belga erfreute sich, solange er in Gebrauch war, keiner sonderlichen Beliebtheit, und bald nach seinem Verschwinden vom Markt war er auch wieder vergessen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Belga nur selten im Geschichtsunterricht an den Schulen erwähnt, weswegen heute nur noch wenige Menschen von seiner einstigen Existenz wissen. Und das erklärt das Geheimnisvolle um den Belga, die Menschen haben ihn schlichtweg vergessen, mit Ausnahme der Sammler von Münzen und Geldscheinen, und… natürlich werden auch wir Scripophilisten ihn nicht vergessen.

P.S.
Vielleicht haben Sie es selbst bemerkt, aber anders als von der belgischen Regierung angegeben werden auf dem Anteil der Firma Walburg keine belgischen Francs erwähnt.
Der ursprüngliche Artikel wurde für das Scripophily magazine, Nr. 81 Dezember 2009 geschrieben und enthielt noch eine Liste aller bekannten Belga-Zertifikate. Sie können unter International Bond & Share Society kontrollieren, ob noch Exemplare dieser Ausgabe erhältlich sind.

Weiterführende Literatur

  • The Belga, by the Museum of the National Bank of Belgium
  • Ter Beurze, Geschiedenis van de aandelenhandel in België 1300-1990 (English: History of security trading in Belgium 1300-1990), ISBN 90-6966-081-4.

Diesen und weitere interessante Artikel von Franky Leeuwerck zu Themen der Scripophilie finden Sie in seinem Blog Franky’s Scripophily BlogSpot – Tales of Shares & Bonds.