Wolfgang II. von Barby (1586-1615) – Ein Reichsgraf in Finanznöten

Es waren schwierige Zeiten für all die unbedeutenden Reichsritter und Reichsgrafen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. War das eigene Gebiet zu klein, hielten die Einnahmen nicht mit den Ausgaben mit. Denn seinem Stand war man etwas schuldig: Großzügige Geschenke, ein prunkvolles Auftreten, ein eindrucksvoller Stammsitz, ein standesgemäßes Leben, kurz die völlige Verschuldung war vorprogrammiert, wenn man ein kleiner Adliger mit großen Ansprüchen war.
Es ging also darum, die unterschiedlichsten Geldquellen aufzutun. Und am Besten konnte dies in der Nähe des Herrschers gelingen – auch wenn man seinen Glauben nicht teilte.
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurden die Glaubensstreitigkeiten noch nicht mit der verbitterten Feindschaft ausgetragen, die wir aus dem Dreißigjährigen Krieg kennen.

Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz. Wikipedia.

Der Vater Wolfgangs II., Wolfgang I., war ein persönlicher Freund Luthers gewesen und hatte bereits 1540 aus Überzeugung sein Land der Reformation geöffnet. Doch seinen Sohn ließ er an einem katholischen Hof erziehen. Ludwig V., Pfalzgraf und einer der wichtigsten Reichsfürsten, fühlte sich dem Ausgleich verpflichtet. Selbst katholisch, duldete er dennoch den reformierten Gottesdienst in seinem Territorium.
Ob Wolfgang sich in der Pfalz wohlgefühlt hat? Wir wissen es nicht, wie überhaupt die Quellen relativ mager sprudeln, wenn es um diesen kleinen Reichsgrafen einer noch kleineren Reichsgrafschaft geht. Immerhin ist uns überliefert, dass Wolfgang gerade 20 Jahre alt war, als er seine ersten Erfahrungen im Militärwesen machte. Der junge Fürst kämpfte für Karl V. gegen den französischen König vor Metz, das damals noch zum Reich gehörte, und in der blutigen Schlacht von Sievershausen. Später sollte er, obwohl Protestant für den ehemaligen Gegner, den französischen König, gegen die Hugenotten kämpfen. Und als er dafür zu alt wurde, musste er sich eine andere Möglichkeit suchen, zu Geld zu kommen.

Wolfgang II. hatte die 70 schon weit überschritten, als er auf die Idee kam, eine Münzstätte in Barby einzurichten. Dies schien ihm eine sichere Einkommensquelle, solange er ausschließlich die Münzwerte ausprägen ließ, bei denen der Nominalwert weit über den Herstellungskosten lag.
Dumm war nur, dass Wolfgang eigentlich gar keine Münzstätte gründen durfte. Die Gesetzeslage war folgendermaßen. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war in Reichskreise eingeteilt. In jedem dieser Kreise, so das Reichsrecht, sollte es lediglich drei bis vier Kreismünzstätten geben, in denen alle, die das Münzprivileg besaßen, ihre Münzen ausprägen lassen sollten. Dies waren zu Beginn des 17. Jahrhunderts für den Obersächsischen Kreis, zu dem Barby gehörte, die Münzstätten Berlin, Leipzig, Saalfeld und Stettin. Vier Münzstätten, dies wäre wunderbar und zentral zu kontrollieren gewesen, doch leider war die Vorschrift nicht durchzusetzen. Man hatte bereits für die Fürsten eine Ausnahme gemacht, die auf ihrem Territorium Silber abbauten. Sie durften unter der Kontrolle der Bergbaubehörde eine eigene Münzstätte betreiben. Im Obersächsischen Kreis nutzte Sachsen mit seiner Münzstätte Dresden dieses Privileg.
Wolfgang II. jedenfalls ließ sich trotz der wackligen Rechtslage nicht davon abhalten, eine eigene Münzstätte zu eröffnen und zu betreiben. Spätestens 1611 war seine Münzstätte in Barby in Betrieb und produzierte praktisch ausschließlich Groschen. Kleinere Nominale, die meist nur auf den Märkten im begrenzten Umkreis zirkulierten, waren mit weitaus größerem Gewinn herzustellen als Großsilbermünzen, die vorwiegend zu repräsentativen Zwecken ausgegeben wurden, bzw. hauptsächlich von den Münzständen, die über eigene Silberbergwerke verfügten. Natürlich gab es Proteste. Bereits 1612 forderte der Kurfürst von Sachsen im Auftrag des Kreistages, die Münzstätte von Barby wieder zu schließen. Ein Brief des gleichen Inhalts ging übrigens auch an den Herzog von Pommern und die Stadt Stralsund, die ebenfalls in nicht vom Reich akkreditierten Münzstätten prägten.

Am 31. Januar 2013 wird vom Auktionshaus Künker / Osnabrück dieser unike Taler aus Barby mit einer Schätzung von 50.000 Euro versteigert. Er zeugt vom Leben und Sterben eines einfachen Reichsgrafen der frühen Neuzeit.

Wie auch immer, Barby fuhr fort zu prägen. Unser Stück, ein uniker Reichstaler, stammt aus dem Sterbejahr Wolfgangs II., 1615. Er könnte durchaus im Zusammenhang gesehen werden mit dem ebenfalls 1615 entstandenen Talern und Doppeltalern auf seinen Tod, immerhin ist die Wappenseite stempelgleich mit den anderen Typen. Mit solchen Prägungen, die als repräsentative Geschenke weitergegeben wurden, verewigte man den Ruhm des Toten, und so sehen wir Wolfgang II., wie er sich selbst wohl gerne gesehen hat. Er tritt uns als großer Kriegsheld in Dreiviertelansicht entgegen. Die Rüstung ist fein geschmückt, der Feldherrnmantel bauscht sich über dem Rücken. In der rechten Hand hält Wolfgang den Feldherrnstab, die linke stützt er auf seinen Prunksäbel an der Seite. Vor ihm steht sein Turnierhelm, Hinweis und Attribut auf das auch im 16. Jahrhundert noch aktuelle Ideal des Ritters. Im Abschnitt lesen wir seine Devise: Trau, schau, wem. Dieses Motto war einem bekannten lateinischen Emblem entlehnt, dessen erklärendes Gedicht übersetzt folgendermaßen lautet: „Auch wenn die Schwalbe, die Vorbotin des Frühlings, unter den Dächern der Menschen nistet, hat sie doch nicht unbegrenzt Vertrauen zu den Menschen. Es ist gleich falsch, jedem und keinem trauen zu wollen; der Weise hält vielmehr zwischen beidem die Mitte. Vertraue, aber sieh dir vorher an, wem du sicher trauen kannst, und weil man niemandem sicher trauen kann, vertraue Gott.“ Exakt dies tut Wolfgang, wenn wir der Umschrift des Talers glauben wollen: Zu Gott Allein Die Hoffnung Mein.
Die Rückseite ist dem Grafen gewidmet. Hier erscheint sein Name, seine Titel, das Wappen, darüber zwei geschmückte Turnierhelme mit Helmzier. In den Ecken lesen wir die Jahreszahl 1615; im Feld oben die Initialen des Münzmeisters Heinrich Meier.

Ein Denkmal dauerhafter als Erz, um mit Horaz zu sprechen, ist dieser Taler für einen relativ unbedeutenden Reichsgrafen, der seinen Weg zwischen den großen Ereignissen seiner Zeit suchte und fand.

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