Brandneuer Trend in der Archäologie: Archaeogaming

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von Annika Backe

26. November 2015 – Andrew Reinhard ist ein ernsthafter Wissenschaftler, der bei der renommierten American Numismatic Society für den Bereich Veröffentlichungen verantwortlich ist. Als Feldarchäologe hat er an Grabungen in Griechenland und Italien teilgenommen. Seine derzeit wohl aufsehenerregendste Aktivität liegt aber auf einem ganz anderen Gebiet: Er ist Fachmann für Archaeogaming.

Unter dem Begriff Archaeogaming verbirgt sich ein ganzer Strauß verschiedener Aspekte: Als Teil der sogenannten „Media Archaeology“ untersucht ein Archaeogamer beispielsweise die Medien der digitalen Kommunikation. Kaum einer kann heute noch auf Emails verzichten, fast jeder bedient sich CDs oder DVDs, spielt Games auf Konsolen oder online. Für diese Handlungen im virtuellen Raum müssen neue Wege der Konservierung gefunden werden. Wie kann man das Material für die Nachwelt erhalten, dokumentieren und katalogisieren? Das sind nur zwei der spannenden Fragen, mit denen sich die Experten für Archaeogaming befassen. 

Virtuellen Münzen in Computerspielen liegen entweder reale Vorbilder oder Stücke wie diese zugrunde, die für Spiele am Automaten genutzt werden. Foto: Loadmaster (David R. Tribble) / https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en.

Doch das ist nicht alles. Archaeogaming findet nämlich nicht im Elfenbeinturm statt. Millionen von Menschen, die Mario Bros., Elder Scrolls Online, Tomb Raider oder World of Warcraft spielen, sind vertraut mit den Münzen und Artefakten, mit den Plots und Spielszenarien, die sich der Archäologie bedienen. Ist ein Spiel einmal fünf oder zehn Jahre auf dem Markt, haben seine Entwickler auch Lauffehler, ‚Glitches‘, verbessert. Gefunden, aussortiert und weggepackt sind diese Glitches vergleichbar mit dem archäologischen Material, mit dem ein Wissenschaftler in der echten Welt umgeht, so Andrew Reinhard kürzlich in einem Interview. 

Teilnehmer einer Dragon Con 2014, in typischen World of Warcraft-Kostümen. Foto: Amy / https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de

Die künstlich geschaffenen Welten spiegeln die Vorstellungen von archäologischen Objekte derer wider, die diese Spiele entwickelt haben. Der Spieler wiederum geht auf seine Weise mit dem Material um, forscht und sammelt Münzen und andere Objekte ein. Auch dies findet eine Parallele in der realen Welt, wird ein archäologisches Artefakt im Moment der Ausgrabung doch immer auch seines Kontexts beraubt.

Reinhard, der im Frühjahr 2014 bei der Ausgrabung von mehr als 1.300 Atari-Spielen in Alamogordo in New Mexico dabei war, betont bei allen Analogien auch die Unterschiede zwischen der Archäologie in der digitalen und der realen Welt: So lassen sich derzeit eben weder Schmutz, Schwerkraft oder die verschiedenen Schichten einer Grabung virtuell simulieren. Freilich wird fieberhaft genau daran gearbeitet. Und auch den Eingang in die Wissenschaft hat das Archaeogaming gefunden: So bietet die Universität von Michigan seit kurzem Kurse in dieser brandneuen Sparte an. Wie die Archäologie ist eben auch Wissenschaft immer ‚work in progress‘.  

Das Interview mit Andrew Reinhard hören Sie hier.

Die Archaeogaming-Website finden Sie hier

wo Archaeogaming anhand des Computerspiels Tomb Raider veranschaulicht wird.

Und richtig viel zu lernen über Münzen im Universum von Mario Bros. gibt es hier.