Numismatisches Nordspanien – Teil 10

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von Ursula Kampmann

17. Januar 2012 – Ernest Hemingway hat Pamplona berühmt gemacht. Seitdem reisen Halbstarke und von der Midlife Crisis geplagte Männer aus der ganzen Welt an, um ihre Chance zu bekommen, vor Stieren davonzurennen, die anlässlich der Fiesta di San Fermin durch die Straßen getrieben werden. Und dabei hätte Pamplona doch so viel mehr zu bieten …

Donnerstag, 19. April 2012
Pamplona ist eine Touristenattraktion, und das vor allem für die Amerikaner.

Der Held Pamplonas: Ernest Hemingway. Foto: KW.

Die Bürger von Pamplona sind ihrem Helden Ernest Hemingway dafür äußerst dankbar. Er hat mit seinem ersten Roman „Fiesta“ aus dem Jahr 1926 das verschlafene Nest weltbekannt gemacht. Und für die Touristen gibt es hier eine Infrastruktur, die für Spanien vorbildlich ist. Denn auch wenn man für Hemingway nicht viel übrig hat, Pamplona ist eine Reise wert.

Reste einer römischen Statue. 1. Jh. v. Chr. Museo de Navarra. Foto: KW.

74 v. Chr. gründete Pompeius eine Stadt, die er nach sich benannte, und deren Namen bereits zu seinen Lebzeiten in Pompaelo verballhorn wurde. Die kleine Provinzstadt lag an der Straße von Astorga nach Bordeaux, bis sie 276 zerstört wurde. Natürlich bauten die Bürger sie wieder auf.
542 eroberte der Merowinger Childebert I. Pamplona. Man richtete einen Bischofssitz ein und spätestens seit dem 6. Jh. lag hier das Zentrum der baskischen Christianisierung.

Detail eines Elfenbeinkästchens aus Cordoba, angefertigt 1004-1005. Museo de Navarra. Foto: KW.

Im 8. Jh. stritten sich Mauren und Franken um die Stadt. Berühmt geworden ist der Feldzug Karls des Großen von 778. Er veranlasste, dass die Stadtmauern Pamplonas abgerissen wurden. Vielleicht war das der Grund, dass Abd ar-Rahman I. 781 die Stadt zurückeroberte.
Zu Beginn des 9. Jhs. gründeten Adlige das Königreich Pamplona, das zum Vorläufer des Reichs von Navarra werden sollte. Die Stadt blieb dabei im Schatten der Geschichte. Hier herrschte ein mächtiger Bischof. Der ließ 1187 Reliquien des heiligen Firmin nach Pamplona überführen, und bot so den Pilgern einen willkommenen Anlass in der Stadt Halt zu machen.

Katharina und Johann von Navarra (1483-1512). Cornado, Pamplona. Aus Cayon 16. Mai 2012, 416.

1512 wurde Pamplona in das spanische Königreich eingegliedert. Und 1521 belagerten es die Franzosen – ein Ereignis, das man nicht erwähnen müsste, hätte es nicht die europäische Geschichte entscheidend beeinflusst. Einer der Verteidiger, ein junger Offizier, wurde durch eine Kanonenkugel schwer verletzt. Während der Genesung blieb ihm nichts anderes übrig, als theologische Erbauungsschriften zu lesen. Er war davon so berührt, dass er als Ignatius von Loyola die Jesuiten gründete und der Gegenreformation zum Durchbruch verhalf.

Medaille auf den Einmarsch Wellingtons in Pamplona 1813 und Medaille auf die Schlacht bei den Pyrenäen im gleichen Jahr. Aus Auktion Baldwin 212 (2012), 303.

Unter Philipp II. wurde Pamplona zur Festung ausgebaut. Das sternenförmige Fort sollte sowohl die Anhänger eines unabhängigen Navarra in Schach halten als auch die Franzosen, die zu gerne ihr Gebiet ausgedehnt hätten. Doch es gelang erst Napoleon, die Stadt zu erobern. 1813 war der Spuk schon wieder vorbei. Doch Pamplona hatte nicht allzu lange Frieden, denn es wurde 1833 zu einem der Kristallisationspunkte des ersten Carlistenkrieges.

Isabella II. 8 Maravedis, Pamplona. Aus Cayon 16. September 2011, 4608.

Der war geradezu anachronistisch. Statt für die Freiheit kämpften die ländlich geprägten Regionen Nordspaniens für einen reaktionären Thronprätendenten namens Karl V., der gerne die Inquisition wieder eingeführt hätte. Das liberale Pamplona stand auf der Seite Isabellas II., die beim Tod ihres Vaters gerade mal 2 Jahre alt war. Deren Rechte wahrte ihre Mutter, Maria Christina von Bourbon. Sie sah die Chance in einer konstitutionellen Monarchie, die aber alte Privilegien bedrohte, was vielen Einwohnern Navarras Angst machte. Von 1833 bis 1840 sollte dieser erste Carlistenkrieg dauern. Er erlebte noch mehrere Auflagen und überschattete auch die junge Demokratie des 20. Jhs. Nach dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs 1936 konnten die Anhänger Francos (zu) schnell die Kontrolle über Pamplona gewinnen.
Heute gehört Pamplona zu den Städten Spaniens mit der höchsten Lebensqualität. Allerdings sind hier auch die Lebenshaltungskosten wesentlich höher.

Kathedrale von Pamplona. Foto: KW.

Pamplona verfügt über eine sehenswerte Kathedrale mit einem großartigen Museum, in dem eine romanische Madonna neben der anderen aufgereiht ist.

Der Kamin einer mittelalterlichen Küche. Foto: KW.

Wesentlich seltener ist allerdings die hier im Original erhaltene mittelalterliche Küche. Eine vergleichbare, durch Umbauten des 19. Jh. allerdings völlig veränderte Einrichtung gibt es meines Wissens nur noch in der Abtei von Fontevrault.
Wir werfen gerade einen Blick in den gewaltigen Kamin, der notwendig war, um den Rauch aus den vier offenen Feuern abziehen zu lassen.

Römisch-iberischer Grabstein im Museo de Navarra. Foto: KW.

Noch spannender ist das Museo de Navarra mit seiner erlesenen archäologischen Abteilung.

Römisch-iberischer Grabstein im Museo de Navarra. Foto: KW.

Auch wenn der römisch-iberische Stil ein wenig gewöhnungsbedürftig scheint.

Präromanischer Grabstein im Museo de Navarra. Foto: KW.

Ich kann mir nicht helfen. Ich finde, die hiesige Kunst hat einen ganz besonderen Charme.

Kapitell des 12. Jh. aus der Kathedrale von Pamplona. Foto: KW.

Doch mit den Pilgern auf dem Jakobsweg kam die internationale Kunst auch nach Pamplona. So gibt es hier ein paar exquisite Steinmetzarbeiten des 12. Jhts wie diese unkonventionelle Darstellung der Geschichte von Hiob. Das einstürzende Haus, das seine sieben Söhne und drei Töchter der Überlieferung nach erschlug, wird nur selten so realistisch dargestellt.

Spanisch-arabische Truhe von 1004/5. Foto: KW.

Zum Kostbarsten gehört eine kleine Truhe aus Elfenbein. Sie wurde 1004/5 geschaffen. Die Schnitzer haben uns ihre Namen in der Inschrift überliefert. Die Legende der Vorderseite preist Allah, allerdings in Buchstaben, die nur die wenigsten Christen lesen konnten. Es wäre interessant zu wissen, ob die Mönche des Klosters San Salvador de Leyre, woher dieses Kistchen stammt, bewusst ihren kostbarsten Besitz darin aufbewahrten: die Reliquien von Nunilo und Alodia.

Detail der Schnitzereien. Foto: KW.

Nunilo und Alodia waren nämlich Kinderheilige, die aus der Ehe eines Muslim und einer Christin hervorgegangen sein sollen. Die beiden Schwestern sollen sich für den Glauben ihrer Mutter entschieden haben, und Mitte des 9. Jahrhunderts öffentlich hingerichtet worden sein.

Vitrine mit Münzen. Foto: KW.

Einziger Wermutstropfen in diesem Museum: Die Münzen waren mal wieder lausig ausgestellt. Hier vor dieser Vitrine zum Beispiel muss man sich auf den Boden knien, um sie sehen zu können. Doch wenn man das tut, wirft man sich selbst einen Schatten, so dass man nichts sehen kann. Da hätte man sich die Präsentation der Stücke auch sparen können.

Die Schlacht bei Mühlberg 1547. Foto: KW.

Völlig überraschenden war dieser Saal, ausgemalt mit einer zentralen Episode der deutschen Geschichte. Die zeitgenössischen Darstellungen vom Kurfürsten von Sachsen und von Karl V. entstanden, als eine noble Familie sich nahe Pamplona einen Palast baute. Das war natürlich ein Thema für einen frommen Katholiken: Schließlich galt der habsburgische Sieg bei Mühlberg als das triumphale Ereignis im Krieg gegen die Lutheraner. Philipp II. selbst hat übrigens in dem Palast übernachtet und die Gemälde zu Ehren seines Vaters bewundert.

Balancier im Treppenhaus. Foto: KW.

Zum Schluss entdeckten wir noch einen Balancier, der im Treppenhaus sein Dasein fristete.

Balancier als Mitbringsel. Foto: KW.

Man hätte ihn auch als Miniatur mitnehmen können, aber der Preis dieses Souvenirs im mittleren dreistelligen Bereich ließ uns dann doch von einem Kauf Abstand nehmen.

Wir waren ziemlich müde, als wir endlich vor unserem Hotel in SOS del Rey Catolico ankamen. Unser Auto war in der hauseigenen Garage untergebracht, da das auf einem steilen Hang liegende Bergdörfchen nicht allzu viele Parkmöglichkeiten bot. Allerdings war die Garage eher für Kleinstwagen ausgelegt. Mein Toyota Avensis war dafür schon fast zu breit. Dazu öffnete sich das Garagentor nicht automatisch. Also, die Prozedur lief folgendermaßen: Wir blockierten mit unserem Auto das Gässchen vor dem Hotel. Ich lief zur Rezeption und wartete geduldig, bis ich an der Reihe war. Dann öffnete der Portier das Garagentor.
Kernstück der Angelegenheit war die Geduld. Über die mein lieber Kurt wie allgemein bekannt nicht in hohem Maße verfügt. Und dazu stand hinter ihm ein kleiner Lastwagen mit Bauarbeitern. Den wollte er vorbeilassen. Dabei übersah er, dass wir uns in einem Bergdorf befanden, in dessen Straßen immer wieder Gruben waren, die Stufen verbargen, über die man in die Häuser gehen konnte. Kurz und gut, als ich aus dem Hotel zurückkam, lag unser Auto auf dem Bauch. Kurt war mit einem Rad in so eine Grube gefahren, der Wagen hatte das Gleichgewicht verloren. Nichts ging mehr.
Während ich noch entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlug, stiegen die Bauarbeiter aus ihrem Lastwagen. Sie diskutierten ein bisschen, riefen Arbeiter von einer anderen Baustelle dazu, und ehe wir es uns noch versahen, hatten alle mit angepackt und das Auto wieder auf die Straße gehoben. Ein freundlicher Gruß noch an uns, und das war’s.

Freitag, 20. April 2012
Am andern Morgen dann die große Angst, ob die Ölwanne bei dem Abenteuer etwas abgekriegt hatte. Aber es waren keine verräterischen Flecken unterm Auto. Nichts, wirklich nichts war passiert. Wir fuhren also weiter und priesen die Hilfsbereitschaft aller Spanier.
Unser letztes Ziel vor den Pyrenäen war ein weiteres Kloster, San Juan de la Pena, der heilige Johannes im Gebirge, ein Juwel der Romanik und überlaufenes Ausflugsziel.

San Juan de la Pena. Foto: KW.

Als wir an diesem regnerischen Tag kamen, war allerdings nichts los. Da gab es uns und ein Auto voll Amerikaner, aber trotzdem kannte die Verwaltung keine Gnade. Wir durften nicht an dem Parkplatz bei der Kirche anhalten, sondern mussten zum oben gelegenen barocken Kloster fahren, dort Tickets lösen, in einen Bus steigen, zum unteren Kloster fahren …

Der in den Felsen gehauene Kirchenraum. Foto: KW.

Wir verzichteten darauf, die Könige von Navarra in ihrem neuen, 1770 erbauten Pantheon zu besuchen, und begnügten uns mit dem mittelalterlichen Kloster, dessen Mönche sich durch ihre intime Kenntnis der Urkundenfälschung einträgliche Privilegien gesichert hatten.

Adam: Kapitell von San Juan de la Pena. Foto: KW.

Bedeutendes Zeugnis dieser Epoche sind die prachtvollen Kapitelle des Klosters, die mit dem besten mithalten können, was zeitgenössische Steinmetzen schufen.

Und das war es dann auch von Nordspanien. Über die Pyrenäen und Avignon ging es zurück. In knapp drei Wochen waren wir einmal quer durch das Land gefahren. Wir haben nur einen Bruchteil dessen gesehen, was es zu sehen gegeben hätte. Und trotzdem, die Eindrücke waren gewaltig. Ich kann nur jedem raten, selbst einmal diese Ecke Spaniens zu besuchen. Aber seien Sie auf jeden Fall bei der Auswahl der Reisezeit vorsichtig. In Nordspanien scheint die Sonne mit Sicherheit nicht – wie in dem beliebten deutschen Faschingshit – Tag und Nacht.

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