Numismatisches Nordspanien – Teil 4

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von Ursula Kampmann

16. August 2012 – Santiago! Heiliger Jakob von Compostela! Die Wallfahrt zu ihm hat in den letzten Jahren eine unglaubliche Renaissance erlebt! Wir waren nicht zu Fuß, sondern mit dem Auto zu ihm unterwegs. Und wir waren froh darüber, denn so konnten wir ohne großen Aufwand den Umweg zum letzten uns erhaltenen römischen Leuchtturm in A Coruña machen.

Mittwoch, 11. April 2012
Nein, es wurde nicht so neblig, dass wir den Leuchtturm nicht sehen konnten. Aber als wir aufwachten, regnete es dermaßen, dass geradezu Bäche vom Himmel flossen. Es regnete, als wir mit dem Auto von Vilalba abfuhren. Es regnete auf der gesamten Fahrt nach A Coruña. Es regnete, als wir fluchend durch die Stadt fuhren, weil die Wegweiser etwas irreführend angebracht waren. Und es regnete, als wir den Parkplatz fanden, von dem aus man eines der großen Wunder der römischen Welt bestaunen kann: Den einzigen erhaltenen Leuchtturm aus römischer Zeit.

Der Leuchtturm von A Coruña. Foto: KW.

Adobicum Curonium, wahrscheinlich von den Phöniziern gegründet, war für die Römer ein sehr wichtiger Hafen, und das schon lange vor Augustus. Bereits im 2. Jh. v. Chr. hatten sie sich hier niedergelassen, um das in Galizien abgebaute Zinn zu verschiffen. Den Hafen bewachte der berühmte Leuchtturm, dessen Entstehungszeit noch nicht endgültig geklärt ist. 62 v. Chr. soll Julius Caesar, damals Pro-Prätor von Spanien, die Stadt besucht haben.

Trajan, AE-Hemidrachme, 107/8. Rv. Pharos. Aus Auktion Dr. Busso Peus Nachf. 406 (2012), 604.

Der Leuchtturm dürfte in römischer Zeit ein einfacher Turm gewesen sein, auf dessen oberste Plattform mit Hilfe einer umlaufenden Treppe Brennmaterial gebracht wurde, das man oben anzündete, um den Schiffen an der gefährlichen Küste den Eingang zum Hafen zu weisen.

Reste der Befestigung um den Leuchtturm. Foto: KW.

Völkerwanderung und Normanneneinfälle trieben die Bewohner der Stadt ins Landesinnere. Im Frühmittelalter war A Coruña nichts anderes als ein kleines, unbedeutendes Fischernest. Dies änderte sich, als im 11. Jh. die noch gut erhaltenen Ruinen des Leuchtturms in eine Festung einbezogen wurden, die man gegen die Wikinger nutzen konnte. Um diese Festung zu halten, wurden die Rechte daran dem Bischof von Santiago zugesprochen, und der hatte ja ganz eigene Pläne mit der Stadt…

Sancho IV. von Kastilien und Leon, 1284-1295. Cornado, Coruña. Königsbüste n. l. Rv. Kastell zwischen Stern und Muschel. Aus Auktion Künker 137 (2008), 3435.

Alfons IX. gab dem inzwischen gewachsenen Coruña eine Reihe von entscheidenden Privilegien. Er verlieh ihr das Stapelprivileg für Salz, eine königliche Münzstätte wurde eingerichtet, und das obwohl erst Johann II. von Kastilien 1446 der Siedlung die Rechte einer Stadt zugestand. Zum damaligen Zeitpunkt war A Coruña der Ort, an dem die Pilger von den Britischen Inseln, den Niederlanden und Flandern, Norddeutschland, Polen und dem Balticum per Schiff ankamen, um weiter nach Santiago zu pilgern.

Medaille 1809 auf den Tod von General John Moore vor A Coruña. Münzen und Medaillen 24 (2007), 1160.

Und in der frühen Neuzeit schrieb man noch einmal Weltgeschichte, als sich die spanische Armada hier versammelte, um 1588 ihre Invasion Englands zu beginnen. Was sich übrigens für A Coruña bitter rächte, denn ein Jahr später tauchte Francis Drake mit der englischen Flotte vor den Mauern der Stadt auf, um sie von See aus in Schutt und Asche zu schießen.
Während des Spanischen Kriegs Napoleons kam es zu einer weiteren Schlacht um A Coruña. Dabei starb Sir John Moore, natürlich nicht ohne erfahren zu haben, dass die Schlacht gewonnen sei. „Ich hoffe, das Volk von England wird zufrieden sein! Ich hoffe, mein Land wird mir Gerechtigkeit widerfahren lassen.“, sollen seine letzten Worte gewesen sein. Er bekam immerhin eine Statue in der St. Pauls Kathedrale in London für seinen Einsatz.

Der Ire Breogham – Gründungsvater nach einem keltischen Mythos. Foto: KW.

Wir kämpften uns also gegen Regen und Wind zum Leuchtturm, der von einem hübschen Skulpturenpark umgeben ist. Unter anderen steht dort Breogham, ein Seefahrer des keltischen Mythos. Der soll in Brigantium, dem alten Coruña, einen massiven Turm von solcher Höhe gebaut haben (eben den Leuchtturm), dass er ihm als Landmarke diente, als er aufbrach, um Irland zu erobern und mit seinen Kelten zu besiedeln.

Bei Sonnenschein sieht der Parador von Santiago viel schöner aus. Foto: KW.

Es regnete immer noch, als wir weiterfuhren und als wir etwa eine Stunde später fluchend den Weg zum Parador in Santiago de Compostela suchten, denn die Wegweiser werden in Spanien so sorgfältig verteilt, dass an der entscheidenden Stelle sicher keiner zu finden ist. Es regnete, als der elegante Concierge unser Auto in die Hotelgarage fuhr, und ein weiterer Hotelboy in grüner Livree uns zu unserem Zimmer führte.

Die Wallfahrtskirche von Santiago – im Regen. Foto: KW.

Nun, man sollte sich über den Regen nicht beschweren. Man hätte nur ein wenig früher ein bisschen aufmerksamer die verschiedenen Reiseführer lesen sollen, so zum Beispiel Dietrich Höllhuber und Werner Schäfke im Kunstreiseführer aus dem Hause Dumont: „Es regnet viel in Santiago de Compostela. Touristen mit Plastiktüten auf dem Kopf (Schirm? Wozu denn, in Spanien regnet’s nie!) springen von Arkadengang zu Arkadengang und neiden jedem Einheimischen den Regenschirm.“
Das zumindest taten wir nicht! Wir standen unter einem winzigen, dafür hocheleganten Regenschirmchen, den wir zugegebenermaßen erst auf unserer Fahrt im vorletzten Parador gekauft hatten. Der Platz vor der Jakobskirche war nicht gerade überfüllt. Ein paar Pilger, die sich auf dem offiziellen 0-Kilometer-Punkt der Pilgerstrecken vor der Jakobskirche fotografieren ließen. Ein paar Touristen, die sich unter Schirmen durch den Weltuntergang kämpften. Und wir.

Portada de Platerias. Foto: KW.

Sollen wir wirklich noch einmal die Geschichte von Santiago nacherzählen? Na ja, hier die Stichworte: Jakobus missioniert in Spanien – erleidet im Heiligen Land den Märtyrertod – Leiche schwimmt mit einem Boot direkt nach Padrón – wird nach Santiago gebracht und vergessen – Einsiedler hat im 9. Jh. eine Eingebung – macht Bischof auf das Grab aufmerksam – erster Kirchenbau unter Alfons dem Keuschen (791-842) – ist nützlich: als Kristallisationspunkt der Reconquista und als Argument, dass der weltliche und kirchliche Status von Spanien erhöht werden sollte.

Friedrich Ulrich von Braunschweiz-Wolfenbüttel, 1613-1634. Rv. Der hl. Jakob vor der Grube St. Jakob. Aus Auktion Künker 201 (2012), 550.

Kurz, auf Vermittlung des spanischen Königs und des französischen Klosters Clunys, das unter den Adligen um Kreuzritter für die Befreiung Spaniens wirbt, wird Santiago einer der beliebtesten Heiligen des Mittelalters, vor allem als Jerusalem den Christen wieder abgenommen wird und der hl. Jakob nur noch Rom als Pilger-Konkurrenz fürchten muss.
Die Jakobspilger prägten derart das Mittelalter, dass man sich bald auch den heiligen Jakob nicht mehr anders vorstellen konnte als in Pilgertracht. Auf dem Kopf den breitkrempigen Hut, der vor Regen schützt (warum wohl?), über die Schultern der dicke Mantel aus warmem Tuch, aufgenäht die Jakobsmuscheln als Pilgerzeichen, und in der linken Hand der lange Stock, der nicht nur dazu dient, sich aufzustützen, sondern auch Hunde und Banditen abzuwehren.

Detail einer Jakobsstatue im Kathedralmuseum von Burgos. Foto: KW.

Nicht zu vergessen, die Wasserflasche – wenn man erst die Ebene zwischen Burgos und Leon durchquert hat, weiß man wofür – und die Pilgertasche, ebenfalls Jakobsmuscheln verziert.

Der eingerüstete Pórtico de la Gloria Foto: KW.

Natürlich führte uns gleich der erste Weg nach Santiago. Ich freute mich wie ein kleines Kind auf den großen Moment, wenn wir die beeindruckende Porta Gloriae sehen würden. Es handelt sich um die schönste romanische Eingangspforte, die ich jemals gesehen habe. In der Mitte der thronende heilige Jakob, umgeben von Evangelisten und Propheten. Darüber ein thronender Christus. Ich kam hinein und war geschockt, alles eingerüstet. Ja, schon klar, irgendwann muss auch dieses Portal restauriert werden, aber zuerst das Sch…. wetter, das Chaos bis zu dem blöden Parador und jetzt auch noch keine Porta Gloriae. Das ganze Santiago konnte mir gestohlen bleiben.

Ampel zur Lenkung der Besucherströme. Foto: KW.

Nun ja, Andacht oder die heitere Erhabenheit, die der mittelalterliche Pilgerführer dem Eintretenden beim Anblick des Gebäudes vorschreibt, wollten sich eh nicht so richtig einstellen. Ein Kind quäkte, ein paar Reisegruppen machten sich lautstark auf die verschiedenen Attraktionen aufmerksam, tausende von Blitzlichtern leuchteten im Kirchenschiff auf (auch unter den Verbotszeichen für das Fotografieren). Ich gebe zu, in diesem Moment war ich sehr froh, dass ich nicht als Pilger viele Hundert Kilometer gelaufen war, um mit dieser Menschenmasse konfrontiert zu werden.

Der barocke Hochaltar. Foto: KW.

Wir absolvierten natürlich auch die für die Pilger vorgeschriebenen Wege. Gingen hinunter zum heiligen Schrein des Jakobus (und verkniffen uns das Knipsen auf Grund eines riesigen Schildes, das zur Ehrfurcht vor dem heiligen Ort aufrief – übrigens wohl als einzige all derer, die sich zur Krypta durchgekämpft hatten). Wir besuchten auch die Büste des hl. Jakobus im Altar (allerdings ohne ihn wie vorgeschrieben zu umarmen). Und dann wanderten wir durch die Kirche, in der sich Romanik, Gotik und Barock zu einem ziemlich interessanten Durcheinander vermengen.
Wir wollten ins Museum der Kathedrale, doch da ließ man uns nicht mehr hinein. In einer Stunde werde man schließen und deshalb sei bereits geschlossen. Also begaben wir uns in den strömenden Regen, um ein wenig spazieren zu gehen, was sich als keine besonders attraktive Alternative entpuppte. Wir beschlossen, essen zu gehen. Danach regnete es noch immer. Wir beschlossen, einen kleinen Mittagsschlaf zu machen – und es regnete nur noch mehr.

Blick in einen Innenhof des Paradors. Foto: KW.

Also machten wir eine indoor-Besichtigung unseres aktuellen Paradors, der zu den bekanntesten des Landes gehört, das Hostal de los Reyes Católicos. Der Bau stammt aus dem ausgehenden Mittelalter und wurde im gleichen Jahr errichtet, in dem Granada erobert und Christopher Columbus zu seiner Reise in die Neue Welt aufbrach. 1492 stifteten die katholischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon den Bau, um den Pilgern Unterkunft, Verpflegung und ein wenig Erholung zu gönnen, ehe sie sich wieder auf den Heimweg machen mussten. Noch heute sollen täglich 30 Pilger in dieser Nobelherberge speisen dürfen.
Der Bau ist ziemlich groß. Er umfasst vier Höfe, die nach den vier Evangelisten benannt sind. Dazu entdeckt man eine prachtvolle Kapelle, in der bereits für das Abendessen einer großen Gruppe gedeckt war. Aber irgendwann gab es auch in diesem riesigen Parador nichts Neues mehr zu sehen, so dass wir doch in den Regen hinaus mussten.

Paris. Kupfermarke der Kirche des hl. Jakob von 1625. Aus Auktion Münzen und Medaillen 32 (2010), 624.

Wir gingen im strömenden Regen hinüber ins Museum, nur um vom Wächter zu hören, dass man in einer Stunde schließen würde, und man uns deshalb nicht hereinlassen könnte. Also, ehrlich gesagt, Santiago wird sich mir nicht als meine Lieblingsstadt einprägen.
Was soll man sonst noch erzählen? Ach ja, wir fanden einen sehr hübschen Laden, in dem wir einen wirklich großen und stabilen Regenschirm kauften. Allerdings soll morgen das Wetter ja besser werden…

Ich verspreche Ihnen, es wurde tatsächlich besser. Und in der nächsten Folge zeige ich Ihnen Vigo, wo die Engländer 1702 Silber im Wert von 1.500.000 Pfund Sterling eroberten und einen Teil davon zu Münzen verprägten.

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