Kopenhagens numismatische Seite: 1. Das Münzkabinett im Dänischen Nationalmuseum

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von Ursula Kampmann

11. Juni 2015 – Kopenhagen, das ist mehr als die kleine Meerjungfrau und Tivoli, das ist eine Stadt, die es an Museen mit jeder Metropole der Welt aufnehmen kann. Das Dänische Nationalmuseum mit Kostbarkeiten wie dem Sonnenwagen von Trondsholm und dem enigmatischen Kessel von Gundestrup, das Thorvaldsen-Museum als das weltweit erste einem einzigen Künstler gewidmete Museum, und die Ny Carlsberg Glyptothek mit ihrer großartigen Porträtsammlung römischer Kaiser, sie alle bieten in ihrer Dauerausstellung Münzen, Medaillen und Orden. Und das sind nicht die einzigen Orte, an denen man in Kopenhagen auf Numismatisches und Wirtschaftsgeschichtliches trifft.
In diesem Blick auf Kopenhagens numismatische Seite besuchen wir das berühmte Münzkabinett mit seiner phantastischen Sammlung.

Die große Halle des Dänischen Nationalmuseums. Foto: UK.

Es ist gewaltig, das dänische Nationalmuseum. Und das Beste: Eine Kasse fehlt am Eingang, denn die Dänen haben eine besondere Einstellung zu ihrem kulturellen Erbe. Sie sehen es nicht als ihren alleinigen Besitz, sondern als Menschheitserbe, das ihnen anvertraut ist und der ganzen Menschheit zur Verfügung stehen soll, so Dr. Michael Märcher, „curator, post. doc.“, in der Abteilung Mittelalter, Renaissance und Numismatik, der uns den Weg ins Münzkabinett öffnen wird.

Eingang ins Münzkabinett durch die Hintertür. Foto: UK.

Das geht, wie das gesamte Nationalmuseum auf die königlich-dänische Kunstkammer zurück, die etwa Mitte des 17. Jahrhunderts angelegt wurde. Damals war das Sammeln Ausdruck höchster Kultur. Wer sich als König profilieren wollte, musste über eine eindrucksvolle Sammlung verfügen. Selbstverständlich gehörten dazu Münzen und Medaillen von der Antike bis zur Neuzeit.

Münzschränke auf Schloss Rosenborg. Quelle: Dänisches Nationalmuseum.

Wie damals die Münzen einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wurden, zeigt uns ein Kupferstich, der in dem 1791 veröffentlichten Katalog der dänischen Münzen und Medaillen veröffentlicht wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Münzkabinett bereits von der Kunstkammer emanzipiert. Mit königlicher Order vom 28. März des Jahre 1781 wurde es zu Dänemarks erstem Museum.

Titelblatt der Publikation zur 200-Jahr-Feier. Quelle: Dänisches Nationalmuseum.

Man einigte sich damals auf einen vielversprechenden jungen Archäologen namens Georg Zoega, dem man erst einmal einen Aufenthalt in Rom finanzierte, damit er sich in die Numismatik so richtig einarbeiten könne. Zoega sollte nie aus Rom zurückkehren, nichtsdestotrotz blieb er Kopenhagen verbunden und vermittelte dem königlichen Münzkabinett immer wieder interessante Sammlungen, darunter z. B. die Sammlung Bondaccas mit ihren 11.000 Münzen.

Christian Jürgensen Thomsen (1788-1865). Foto: UK.

Im Jahre 1816 wurde der große Christian Jürgensen Thomsen zum Vorsteher der Antiquarischen Sammlungen ernannt, aus denen sich später das Dänische Nationalmuseum entwickeln sollte. Thomsen, den Namen kennt auch heute noch jeder Student der Vor- und Frühgeschichte, denn dieser Forscher führte die Teilung der Vorgeschichte in Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit ein.
Als begeisterter Münzsammler arbeitete Thomsen seit 1832 auch im Münzkabinett mit, das er von 1842 bis 1865 leitete. Und in dieser Funktion schrieb er zum Beispiel die erste Abhandlung über die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit.

Ein Blick in die erste numismatische Dauerausstellung im Prinzenpalais. Quelle: Dänisches Nationalmuseum.

Im 19. Jahrhundert zog das Dänische Nationalmuseum in das so genannte Prinzenplais. 1892 kam auch das Münzkabinett dazu. Damals erhielt es den Standort, den es heute noch hat. Sowohl die Räume für die Kuratoren als auch die Dauerausstellung sind am selben Platz geblieben.

Eingang zur Dauerausstellung der Königlichen Münz- und Medaillensammlung – Leider geschlossen. Foto: UK.

Umso trauriger ist es, dass die Dauerausstellung des Münzkabinetts nunmehr geschlossen ist. Nun gut, selbst die Kuratoren geben zu, dass sie nicht mehr auf dem neuesten Stand der Ausstellungstechnik war, aber derzeit ist eine Umgestaltung und Neueröffnung geplant, wobei es noch keinen festen Zeitplan für eine Wiedereröffnung gibt. Hoffen wir, dass diese nicht allzu lange auf sich warten lässt, denn was das Münzkabinett zu bieten hat, ist umwerfend.

Ein Blick auf ein beliebiges Tablett aus dem großen Tresor. Foto: UK.

Natürlich ist in der Sammlung vor allem die dänische Münz- und Medaillenprägung stark vertreten.

Eines der wohl berühmtesten Stücke im Münzkabinett: Die Prunkmedaille im Gewicht von 360 Dukaten, geprägt 1677 von Christian V. anlässlich seiner Seesiege. Foto: Dänisches Nationalmuseum, John Lee.

Zu den berühmtesten Stücken gehört die unglaubliche goldene Prunkmedaille, die auf Befehl König Christians V. von Christoph Schneider geschaffen wurde. Es handelt sich dabei um die größte Prägemedaille, die jemals hergestellt wurde. Man gab sie anlässlich dreier Seesiege in den Jahren 1676 und 1677 heraus.

Silberabschlag der Medaille. Foto: Dänisches Nationalmuseum.

Umso eindrücklicher ist die Tatsache, dass im Münzkabinett auch ein silberner Abschlag bewahrt wird, der interessante Stempelabnutzungsspuren zeigt. Auf der Vorderseite, die mit dem Oberstempel geprägt wurde, sehen Sie zwei erhabene Linien, die auf Stempelrisse hinweisen.

Die Originalstempel zur Medaille. Foto: Dänisches Nationalmuseum.

Da das Münzkabinett zusätzlich die originalen Stempel besitzt, können wir sehen, dass der Vorderseitenstempel im Verlauf der Prägung zwei große Risse bekommen haben muss. Anhang dieser Risse können wir eine Chronologie der Prägung erstellen, also feststellen, welche Medaille früher aus dem intakten, welche später aus dem brechenden Stempel hergestellt wurde.

Ein Blick auf ein Tablett mit griechischen Münzen Kretas. Foto: UK.

Dass Kopenhagen eine unglaubliche Sammlung an griechischen Münzen besitzt, muss man nicht extra erwähnen. Schließlich ist die 1942 begonnene Serie das einzige SNG-Projekt, das tatsächlich abgeschlossen wurde. Jeder, der mit griechischen Münzen zu tun hat, ist irgendwann auf die Abkürzung „SNG Cop“ gestoßen, die für die 43 großen Bände der Sylloge Nummorum Graecorum mit ihren ca. 25.000 beschriebenen Münzen steht.

Fundmünzen. Foto: UK.

Doch das ist nur ein kleiner Teil der Arbeit. Das Dänische Nationalmuseum ist nämlich die Zentrale für alle neuen Münzfunde in Dänemark, die hier bestimmt, wissenschaftlich bearbeitet und aufbewahrt werden. Und damit ist nicht wenig Arbeit verbunden. Schließlich werden im Land jährlich allein um die 3.000 vor dem Jahre 1537 geprägte Münzen gefunden.
In Dänemark ist die Suche mit dem Detektor nämlich legal, und viele Amateure widmen sich dieser aufregenden Tätigkeit. Theoretisch geht die dänische Gesetzgebung davon aus, dass alle gefundenen Münzen dem Staat gehören. Doch die Praxis sieht anders aus. Weil so viele Münzen gefunden werden, erhalten die meisten Finder ihre Stücke nach der Registrierung zurück. Behalten werden nur Hortfunde und vor dem Jahr 1537 geprägte Münzen. Und für die gibt es einen steuerfreien Finderlohn, der sich nicht nur nach der Größe und dem wirtschaftlichen Wert des Gefundenen richtet, sondern auch danach, wie gut der Finder mit den Behörden (zum Teil seit Jahren) zusammenarbeitet.

Jede Fundmünze liegt in einem kleinen Papiertütchen, auf dem Inventarnummer und Kurzbeschreibung notiert sind. Foto: UK.

Jedenfalls, und dies muss man den dänischen Numismatikern hoch anrechnen, haben sie es geschafft, ein Vertrauensverhältnis zu den Detektorgängern aufzubauen, so dass sich die dänische numismatische Forschung nicht nur über einen gewaltigen Material-, sondern auch über einen Wissenszuwachs freuen kann, der andere Fundmünzwissenschaftler neidvoll erblassen lassen dürfte.

Aufzeichnungen der Münzfunde, die Berichte gehen ins 18. Jahrhundert zurück. Foto: UK.

Mindestens genauso neidisch könnte man auf die Akribie sein, mit der in Dänemark bereits seit etwa 1801 alle im Münzkabinett eingehenden Funde verzeichnet wurden.

Ein Münzhort mit über 6.000 Stücken vom Januar 1832. Foto: UK.

Man notierte nicht wie andernorts summarisch, sondern gab genau wieder, welche Münztypen in einem Hort gefunden worden waren. Auch wenn ein Teil davon an andere Kabinette zum Tausch gegeben wurde – und auch das ist fein säuberlich notiert – können moderne Forscher mit diesen Hortinventaren immer noch wissenschaftlich arbeiten.

Die wertvollen Fundbücher. Foto: UK.

Diese Fundbücher gehören zu den großen Schätzen im Dänischen Münzkabinett.

Die wichtigste numismatische Bibliothek im Norden. Foto: UK.

Ein weiterer Schatz der Wissenschaft ist die Bibliothek, die dank der Society of Friends of the Coin Collection auf dem Laufenden gehalten wird. Kollegen aus Norwegen und Schweden bestätigen, dass sie immer gerne nach Kopenhagen kommen, weil sie hier Bücher finden, die in all ihren nationalen Bibliotheken fehlen.

Der Besucherraum. Foto: UK.

Diese Bücher können genauso wie Münzen nach Voranmeldung im Besucherraum angesehen werden.

Hier entstehen die Bilder, die kostenfrei im Internet verfügbar sind. Foto: UK.

Hier, in diesem Raum, steht auch die Fotoanlage, auf der die Münzfotos gemacht werden, die in einer riesigen Datenbank im Internet verfügbar sein werden. Das Dänische Nationalmuseum verfolgt nämlich hinsichtlich seiner Bilder eine ganz außergewöhnliche Politik. Sie sollen keinen Profit bringen, sondern allen Menschen weltweit kostenlos zur Verfügung stehen.
Wer heute auf die Website des Dänischen Nationalmuseums „Online collection“ anklickt, der kommt auf eine – allerdings völlig ungeordnete – Sammlung von über 50.000 Bildern, 1.250 davon derzeit aus der Münzen- und Medaillensammlung. Diese Einträge werden sich innert kurzem dramatisch erhöhen. Rund 8.000 Bilder sind schon gemacht. Die müssen nur noch hochgeladen werden. Pro Jahr sollen dann 10-15.000 Bilder dazukommen.
Einzig die Suchmaschine muss noch programmiert werden. Wer soll schließlich sonst in dieser Flut von Bildern noch das richtige finden.

Das schönste Büro im ganzen Dänischen Nationalmuseum … Foto: UK.

Im Münzkabinett ist man stolz auf seine relativ großzügigen Büroräume, …

… mit einem fabelhaften Blick. Foto: UK.

… zum Teil mit einem fabelhaften Blick.

Ein ungedrucktes Manuskript mit numismatischem Inhalt. Foto: UK.

In diesem Raum werden auch die numismatischen Manuskripte aufbewahrt, die nie im Druck erschienen sind.

Kaffeetisch, von links nach rechts Dr. Gitte Tarnow Ingvardson, Lund / Schweden; Dr. Helle W. Horsnæs, Dänisches Nationalmuseum; Dr. Svein Gullbekk, Oslo / Norwegen. Foto: UK.

Das wahre Zentrum des Münzkabinetts ist – wie in der ganzen Welt – der Kaffeetisch, an dem meistens dann doch über Numismatik gesprochen wird.

Dr. Michael Märcher in seinem Büro. Foto: KW.

Die MünzenWoche bedankt sich herzlich bei Michael Märcher für den ausführlichen Blick hinter die Kulissen, den er uns im Münzkabinett Kopenhagen ermöglicht hat.
Und wir versprechen jetzt schon einen ausführlichen Bericht, sollte es demnächst möglich sein, wieder die numismatische Dauerausstellung zu eröffnen.

In einer nächsten Folge zeigen wir Ihnen, dass trotz der geschlossenen Dauerausstellung jede Menge Numismatisches im Dänischen Nationalmuseum zu sehen ist. Darunter zum Beispiel der größte in Dänemark je gefundene Hort mit 81.000 (sic!) Münzen. Und es gibt tolle Geschichten zu erzählen, wie zum Beispiel die von dem Münzfälscher, der goldene Trinkhörner aus dem Museum stahl, um sie einzuschmelzen.

Zur englischen Seite des Dänischen Nationalmuseums kommen Sie hier.

Die Besucherhinweise gibt es nicht nur in Russisch und Chinesisch, sondern auch in Deutsch.

Essen wie ein Wikinger kann man im Museumsrestaurant.

Und hier finden Sie die verschiedenen digitalen Sammlungen.

Einen kleinen Film mit vielen Bildern aus dem Dänischen Nationalmuseum sehen Sie hier.