Auf nach Südspanien! Folge 1: Unterwegs

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von Ursula Kampmann

4. Mai 2017 – Spanien ist zur Zeit „in“. Sagen die Tourismusexperten. Es ist eines der wenigen Länder, das noch übrig bleibt, wenn man Sonne, Strand und billigen Wein mit einem sorgenfreien Urlaub kombinieren möchte. Deshalb strömen die Massen nach Spanien. Wir strömten mit, allerdings nicht per Flugzeug und nicht an den Strand, sondern mit dem eigenen Auto zu den bedeutendsten Stätten des Landes vor allem der römischen Epoche, aber auch des Mittelalters. Begleiten Sie uns auf unserer diesjährigen Fahrt. Unseren ersten Halt machten wir allerdings noch nicht in Spanien, sondern in Südfrankreich, …

Augustus. As, ca. 16-10 v. Chr. Aus Auktion Gorny & Mosch 204 (2012), Nr. 1677.

… in der wunderschönen Stadt Nîmes.

Sonntag, 19. März 2017

Fünf Uhr morgens: Der Wecker läutet. Wir wollen rechtzeitig los, um auf leeren Straßen durch die Schweiz über Genf nach Frankreich zu fahren. Damit schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir reduzieren die üppigen Autobahngebühren und umschiffen den Moloch Lyon weiträumig. Guter Plan. Was wir nicht in Betracht gezogen haben, ist die Tatsache, dass heute der letzte Tag des Genfer Autosalons ist. Deshalb sind die Schweizer Straßen nicht ganz so leer, wie es eigentlich für einen heiligen Sonntag zu erwarten gewesen wäre…

Nîmes ist stolz auf seine Vergangenheit: Besonders das berühmte As des Augustus findet man überall. Hier im Fassadenschmuck des Musée des Beaux-Arts. Foto: KW.

Trotzdem kommen wir in Rekordzeit nach Nîmes. Es ist knapp nach 13.00, als wir unser erstes Etappenziel erreichen. Ich habe vorbestellt, am Rand der Stadt, in einem wunderschönen kleinen Hotel mit dem malerischen Namen l’Orangerie, das um einen Innenhof mit Garten und Pool gruppiert ist. Unser Zimmer hat einen riesigen Balkon und eine Klimaanlage, die wir sofort einschalten, denn es hat ja fast 20 Grad. Und die kleinen Zimmer werden bei der direkten Sonneneinstrahlung ungemütlich warm.
Wir sind müde, und weil wir Urlaub haben, halten wir erst einmal Siesta. Was uns aufweckt, sind die Ströme von Schweiß, hervorgerufen durch die brütende Hitze. Was ist mit der Klimaanlage? Nun, die tut ihre Pflicht … und heizt – im März normalerweise genau das, was der „Climatisation“ im Nîmes abverlangt wird. Die Dame an der Rezeption rät jedenfalls ganz freundlich, das Fenster zu öffnen, wenn wir es kühl haben wollen. Das Umstellen der „Climatisation“ von warm auf kalt übersteige ihre Kompetenz.

Die städtischen Kanaldeckel von Nîmes. Foto: KW.

Natürlich haben wir uns nicht getraut, die Fenster aufzureißen, jedenfalls nicht so lange wir nicht im Zimmer waren. Nicht umsonst stehen auf allen Parkplätzen Südfrankreichs Hinweise, man möge ja nichts Wertvolles im Auto lassen. Selbst auf unserem abgesperrten(!) Parkplatz sehen wir ein großes Schild, dass das Hotel leider keine Haftung übernehmen könne für allfälliges Abhandenkommen wertvoller Gegenstände. Und an der Tankstelle, die unser Auto nach den rund 600 Kilometern dringend benötigt, kommt trotz aller Tricks kein Benzin aus dem Zapfhahn. Ich muss erst persönlich beim Tankwart vorstellig werden, der wohlwollend entscheidet, dass ich tanken darf, ohne Vorauskasse zu leisten. Es gäbe nämlich leider, so der freundliche Tankwart, zu viele Menschen, die nach dem Tanken durchstarten. Die Polizei unternähme mehr oder weniger nichts. Deshalb sei man zur Vorauszahlung übergegangen. Aber wir würden so vertrauenserweckend dreinschauen… 

Blick aus der Vogelperspektive auf das frühneuzeitliche Nîmes. Deutlich erkennbar ist das auch heute noch bewundernswert erhaltene Amphitheater, die Maison Carrée und der große Turm, eine römische Ruine. Aus Citivates Orbis Terrarum, publiziert 1582 in Köln.

Nîmes verdankt seinen Aufstieg der Gründung einer Kolonie im Jahr 27 v. Chr. durch Augustus. Es soll hier Soldaten angesiedelt haben, die in Ägypten ihren Dienst geleistet hatten. Ihnen verdankt die Stadt das Krokodil als Wappentier, das noch heute angebunden an eine Palme überall in der Stadt zu sehen ist. Das berühmte As von Nemausus wurde nämlich zum Vorbild für das moderne Stadtwappen von Nîmes, und auch sonst stößt man allenthalben auf Krokodile.

Mein persönliches Lieblingskrokodil. Foto: KW.

Mein persönliches Lieblingskrokodil kreucht über einen Brunnen, der inmitten wirbeliger Bars zu finden ist.

Augustus. Denar, 19-18. Münzstätte Nîmes oder irgendwo in Spanien. Aus Auktion Gorny & Mosch 141 (2005), Nr. 248.

Nîmes gewann ziemlich schnell an Bedeutung. Schließlich lag es an der Via Domitia, auf der die Legionen von Italien nach Spanien verschoben werden konnten. Das war zwar wesentlich zeitaufwändiger als der Seetransport, aber dafür billiger. Ob in Nîmes Aurei und Denare geprägt wurden, ist umstritten. Der Katalog der Bibliothèque nationale legt einige Prägungen in diese Stadt, vor allem weil ein Münzstempel zu einer Vorderseite, die zu dieser Emission gehört, hier gefunden wurde. In London hält man dies nicht für ausschlaggebend, so dass der RIC die Stücke irgendeiner unbestimmten Münzstätte in Spanien zuteilt. Was stimmt? Das ist Geschmacksache. Aber genug der römischen Numismatik. Wir wollen ja nicht langweilen.

Pippin der Kurze. Denar – nicht in Nîmes geprägt, dort befand sich keine Prägestätte, sondern wahrscheinlich in Antrain oder Saint-Denis. Aus Auktion Künker 227 (2013), 2080.

Nîmes muss sehr bedeutend gewesen sein. Jedenfalls wenn man nach der Größe seines Amphitheaters urteilt. Es gehörte zu den größten des ganzen römischen Imperiums. Doch nach der Völkerwanderungszeit verlor die Stadt an Bedeutung.
Nach der Eroberung durch die Visigoten 472 fiel Nîmes 725 an die spanischen Omayaden, ehe Pippin der Kurze die Stadt 752 zurückeroberte. Glücklich scheinen die Bürger darüber nicht gewesen zu sein. Es gab nämlich 754 einen Aufstand. Die danach noch erhaltenen römischen Gebäude wurden benutzt, um die Verwaltung unterzubringen. Zur Zeit Ludwigs des Heiligen hatte sich der Burgvogt im Amphitheater einquartiert. Der Bischof hatte den Tempel des Augustus überbaut, und die vier Konsuln hausten in der Maison Carrée.

Die Michelade 1567 in Nîmes. Quelle: Wikipedia, dort ohne nähere Angaben.

Franz I. richtete eine Universität in Nîmes ein, was zur Folge hatte, dass sich der Calvinismus besonders schnell verbreitete. So blieb Nîmes in den Religionskriegen gut hugenottisch. Dafür zeugt der lokale Vorläufer der Pariser Bluthochzeit. Der heißt Michelade und fand 1567 statt. Das Edikt von Nantes brachte den Bürgern Ruhe; dessen Aufhebung löste den Aufstand der Camisards aus. Der zwang Ludwig XIV. mitten im Spanischen Erbfolgekrieg den so genannten Cevennenkrieg zu führen. Ein großer Teil der französischen Staatsschulden, die der Sonnenkönig hinterließ, wurden von diesem Krieg verursacht.

Das neue archäologische Museum, ein guter Grund 2018 noch einmal nach Nîmes zu fahren. Foto: KW.

Zu Fuß gehen wir vom Hotel in die Altstadt. Bald merken wir, dass sich auch Nîmes putzt und püschelt. Man wäre zu gerne Weltkulturerbe. Da wird ein neues archäologisches Museum versprochen. Selbst am Sonntag gehen Reinigungskräfte durch die Straßen und machen mit Flammenwerfern dem Unkraut den Gar aus. Es gibt sogar ein Welterbe-Büro.
Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören? Ich wünsche es der Stadt, dass sie den Titel nicht bekommt. Wenn doch, werden die Touristenschwärme explodieren und die Altstadt übernehmen. Und das wäre schade, weil die Einwohner von Nîmes sie durchaus zu benutzen wissen…
An diesem herrlichen Sonntag gibt es jedenfalls außer uns keine Touristen, dafür viele Familien, alte und junge Liebespaare, Gruppen von Mädels und Buben, meist geschlechterspezifisch streng getrennt, aber einander intensiv nicht beachtend. Es ist laut; es ist fröhlich; jeder genießt den wunderschönen Tag mit seiner strahlenden Sonne.

Das Amphitheater von Nîmes. Foto: KW.

Wir spazieren am Amphitheater vorbei. 25.000 Zuschauer soll es ursprünglich gefasst haben. Heute wird es für Stierkämpfe und römische Spektakel verwendet. Es ist Veranstaltungsort des Musikfestivals von Nîmes und kann sich einiger moderner Stars brüsten, die hier live Alben aufgenommen haben, darunter zum Beispiel Dire Straits und die Gruppe Rammstein. (Unglaublich mit welchen Details die unvermeidliche Wikipedia aufwartet!)

Die Maison Carrée. Foto: KW.

Gemütlich sitzen wir hinter der Maison Carrée und trinken zur großen Verblüffung des Garçon (wer außer deutschen Touristen trinkt heute noch so was?) einen Citron Pressé. Nein, wir denken nicht daran, dass dieser Tempel für Gaius und Lucius, die früh verstorbenen Adoptivsöhne des Augustus erbaut worden ist. Erst 1823 befreite man ihn von all seinen Anbauten und machte daraus ein Museum. Bei der Gelegenheit bekam er den imposanten Vorbau, von Archäologen Pronaos genannt. Der ist also nicht echt, genauso wenig wie die Innenausstattung. Dort befindet sich heute ein Kino, das eine vermutlich ziemlich populär gemachte Schau über das römische Leben zeigt. Betrachter auf „Tripadvisor“ bezeichnen sie jedenfalls als „spektakulär“ und rühmen „Kelten / Römer und Gladiatoren“. Was immer das heißen mag.

Das Standbild des Antoninus Pius. Foto: KW.

Danach besuchen wir das Standbild des Antoninus Pius. Der wurde zwar in Italien geboren, seine Familie kam aber aus Nîmes. 

Brasserie des Antonins. Foto: KW.

Grund genug für das eine oder andere Restaurant, sich nach ihnen zu benennen. 

Die Kathedrale mit wunderschönen romanischen Reliefs. Foto: KW.

Wir entdecken die Kathedrale, die viel schöner ist, als ich sie in Erinnerung habe; vor allem die romanischen Friese sind beeindruckend! Deutlich auf dem Foto zu erkennen sind die Söhne Noahs, die ihren besoffenen Vater entblößen. Und rechts Lots Weib zur Salzsäule erstarrt (ich hatte mich immer gefragt, wie ich mir eine Salzsäule vorstellen soll, jetzt weiß ich’s.) Papst Urban II. hatte den Bau auf seiner Propagandareise für den 1. Kreuzzug 1196 geweiht. Wie er innen aussieht? Keine Ahnung. Es ist spät und die Kathedrale geschlossen. So kehren wir erschöpft vom langen Tag in unser Hotel zurück. 

Zum Essen ist es noch zu früh. In Frankreich öffnen die meisten Restaurants getreu den Regelungen der französischen Gewerkschaft erst um 19.00, um schon wieder um 21.00 zu schließen. Und wehe irgendjemand bekommt außerhalb der gewerkschaftlich vorgeschriebenen Essenszeiten Hunger! Wir verlassen uns auf das Restaurant in unserem Hotel, das es leider gar nicht gibt, jedenfalls nicht im März, außerhalb der Saison. Doch man hat aus der Not eine Tugend gemacht und offeriert verschiedene Menüs als Zimmerservice.
Was für eine großartige Idee!

Keine Sehenswürdigkeit, sondern einfache Raben, aber sooo entspannend. Foto: KW.

In der Dämmerung sitzen wir auf dem Balkon, beobachten die Raben, die sich auf den benachbarten Bäumen ihr Abendquartier einrichteten, applaudieren den riskanten Flugmanövern der vielen Fledermäuse und stellen fest, dass wir einfach ein riesiges Glück haben, dass wir so was Schönes erleben dürfen.

Der nächste Halt auf unserer Reise bringt uns nach Tarragona, das römische Taracco. Es handelt sich immerhin um eines der bedeutendsten Zentren der iberischen Halbinsel zur Römerzeit und um die ehemalige Hauptstadt der Hispania Tarraconensis.

Selbstverständlich legen wir wieder eine Seite an, von der aus Sie alle Folgen unseres numismatischen Tagebuchs „Auf nach Südspanien“ besuchen können.