Richard Margolis (1931-2018)

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von Ursula Kampmann

6. Dezember 2018 – Sie waren ein gewohnter Anblick, sobald man im Waldorf-Astoria den großen Saal der New York International betrat. Richard Margolis hatte seinen Stand immer an der Fensterseite, etwas rechts gegenüber dem Eingang. In seinen Vitrinen fand sich stets ein beeindruckendes Angebot an seltenen Medaillen. Nie habe ich Richard alleine hinter seinem Tisch gesehen. Seine Frau Sara begleitete ihn auf jede Münzbörse. Es war eine Freude, sich mit ihnen zu unterhalten, schon allein wegen ihrer Freundlichkeit. Ein Gespräch mit ihnen bereicherte für mich jeden Besuch der New York International. Und ich bin kein einziges Mal von dem Tisch weggegangen, ohne etwas gelernt zu haben.
Nun ist Richard Margolis tot. Er starb am 24. November 2018 nach längerer Krankheit.

Richard Margolis (1931-2018). Foto: UK.

Richard Margolis wurde am 21. April 1931 in Manhattan geboren. Sein Vater Benjamin war Damenschneider. Seine Mutter Norma, geborene Germain, war die Tochter eines der erfolgreichen Immobilienentwickler des aufstrebenden New York zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Max Germains großer Coup bestand darin, günstig Grundstücke an der Route 4 zu erwerben, ehe die George Washington Brücke eröffnet wurde. Diese Immobilien verkaufte er nicht, sondern vermietete sie – eine Firmenpolitik, der seine Nachkommen bis heute treu geblieben sind. Eigentlich war es für Richard Margolis ebenfalls vorgesehen, seinen Lebensunterhalt als Immobilienmakler zu bestreiten. Jedenfalls trat er nach dem Studium an der Tulane und der New York University seinen Job als Direktor in der Firma des Großvaters an. Glücklich dürfte er dabei nicht gewesen sein.

Denn im Alter von 12 Jahren hatte er sich mit dem bacillus numismaticus infiziert. Er liebte seit seinem Studium die französischen Münzen, entwickelte ein großes Interesses an der Medaillenkunst des 19. Jahrhunderts. Und so ließ er 1958 Immobilien Immobilien sein und gründete seine eigene Münzhandlung. Wer in den Vereinigten Staaten französische Münzen sammelte, kam an Richard Margolis nicht vorbei. Er war langjähriger Präsident der Société Américaine de l’Étude Numismatique Française. Er publizierte 1973 das in den Vereinigten Staaten weit verbreitete Standardwerk „The Silver Crowns of France 1641-1973“.
Aber auch für die Liebhaber von Medaillen war er ein kompetenter Ansprechpartner. Sein geballtes Wissen manifestierte sich in einem Prachtband, den er 2015 bei Kolbe & Fanning publizierte. Jahrzehntelang hatte sich Richard Margolis mit einem Randgebiet der Numismatik beschäftigt, mit den Terracotta-Porträts von Benjamin Franklin, die Jean-Baptiste Nini im Auftrag von Jacques-Donatien Le Ray anfertigte. Dieser Besitzer einer Manufaktur für Gebrauchskeramik verbreitete das Portrait Franklins, um die Sache der Vereinigten Staaten zu befördern, die sich zu diesem Zeitpunkt im Unabhängigkeitskrieg befanden.
Richard Margolis zeigte in diesem Buch, was er so sehr an der Numismatik liebte: Die vielen Möglichkeiten, Geschichte mit einem konkreten Objekt zu verbinden. Nur wenige Menschen beherrschen die hohe Kunst des Betrachtens so wie er es tat. Wenn er einem eine Medaille zeigte, sah man Dinge, die man nie zuvor wahrgenommen hatte – und die man ohne seine Hinweise wohl auch nie wahrgenommen hätte.

Seine größte Bedeutung für die Numismatik dürfte Richard aber wegen einer anderen Entscheidung haben. Er beschloss, zusammen mit Fritz Weber und Bill Selfridge, in New York eine Münzbörse einzurichten, die ausschließlich antiken und ausländischen Münzen gewidmet sein sollte. Der Verzicht auf die US-Prägung war damals in den USA einzigartig! Die erste Veranstaltung der New York International Numismatic Convention fand 1972 statt. Sie wurde zu einem großen Erfolg. Die Organisation übernahm viele Jahre lang Richard Margolis und seine Frau Sara. Sie machten die Börse zu einem Treffpunkt für den internationalen Münzhandel mit seinen amerikanischen Kollegen. Schon bei der fünften Veranstaltung von 1976 – bis zum 11. September fand die Börse zu Beginn der Adventszeit statt – kamen 85 Händler aus zehn verschiedenen Nationen! Heute ist die New York International aus dem numismatischen Kalender nicht wegzudenken.

Dass Richard Margolis keine Lust hatte, die Digitalisierung des Münzhandels mitzumachen, hat dafür gesorgt, dass er einer internetaffinen jungen Generation eher unbekannt geblieben ist. Schade, denn er war in vielem vorbildlich. So zum Beispiel in Sachen Kollegialität und Fairness.

Richard Margolis war ein Liebhaber des Schönen. Er liebte es zu reisen und war auf vielen Kongressen der International Association of Professional Numismatists dabei. 

Wir werden ihn vermissen. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau Sara und all seinen Angehörigen.

Eine Würdigung von Richard Margolis finden Sie bei „The New York Times“.

Natürlich stellten wir sein Buch über die Terrakotta-Porträts von Benjamin Franklin vor.