Karl der Große und die Päpste – Der Weg zur Kaiserkrone

Pippin und Zacharias – oder – Die Karolinger übernehmen den Königstitel
Im Jahre 768 starb Pippin der Kurze, der fränkische Hausmeier, der die merowingischen Schattenkönige auch offiziell entthront hatte.

Pippin der Kurze, 752-768. Denar, Angers. Depeyrot 40. Aus Auktion Künker 205 (12. und 13. März 2012), 1394. Schätzung: 5.000 Euro.

Seine Zusammenarbeit mit Papst Zacharias hatte es ihm ermöglicht, Childerich III. nebst dessen Sohn Theoderich ins Kloster zu schicken und selbst für die Karolinger den Königstitel zu übernehmen.

Karl und Hadrian I. – oder – Das Ende des Langobardenreichs
Pippin hatte für die Zeit nach seinem Tod vorausgeplant. Nach fränkischem Recht teilte er sein Reich zwischen seinen Söhnen Karl und Karlmann, die schnell über die täglichen Fragen der Machtpolitik ins Streiten kamen. Da starb der jüngere Karlmann plötzlich im Alter von nur 20 Jahren. Er hinterließ zwei Söhne, die natürlich viel zu jung waren, um die Herrschaft zu übernehmen.

Anonyme langobardische Prägung aus Pavia. Tremissis im Namen des Mauricius Tiberius, 7. Jh. Arslan 11var. Aus Auktion Künker 205 (12. und 13. März 2012), 1259. Schätzung: 1.000 Euro. Die stark verwilderte Legende spricht für eine Entstehung nach dem 1. Viertel des 7. Jahrhunderts.

Ihre Mutter floh mit ihnen zu ihrem Vater, dem Langobardenkönig Desiderius. Der hatte natürlich kein Interesse daran, den fränkischen Nachbarn wieder unter einem Herrscher vereint zu sehen. Deshalb unterstützte er die Ansprüche seiner Enkel.
Am sichersten wären deren Rechte gewesen, hätte der Papst höchstpersönlich sie gesalbt. Doch Hadrian verweigerte die Zusammenarbeit. Das war ein guter Grund für Desiderius, die Gebiete seines Nachbarn zu überfallen. Und Papst Hadrian handelte nach dem alten Grundsatz: Die Feinde meines Feindes sind meine Freunde. Er sandte Boten zu Karl, der sich diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen ließ.
Im Sommer des Jahres 773 sammelte Karl sein Heer bei Genf. In zwei Abteilungen marschierte man nach Italien. So gelang es, dem langobardischen Heer, das versucht hatte, der feindlichen Heeresmacht den Weg zu verlegen, in den Rücken zu fallen. Desiderius brachte sich in Pavia in Sicherheit. Pavia war eine stark befestigte Stadt, die mit den Mitteln der damaligen Zeit kaum zu erstürmen war. So blieb Karl nichts anderes übrig, als die Bewohner auszuhungern. Neun Monate sollte das dauern. Karl zog inzwischen nach Rom, erneuerte das Bündnis mit dem Papsttum, und kehrte rechtzeitig in den Norden zurück, um am 4. Juni 774 die Kapitulation entgegen zu nehmen. Damit endete die Herrschaft der Langobarden.

Die Langobardenkrone. Kupferstich von Nicolaus Seeländer (1716). Quelle: Wikipedia.

Karl nahm den Titel „König der Langobarden“ an und verbannte Desiderius in ein fränkisches Kloster. Als Herren der neuen Gebiete wurden fränkische, alemannische und burgundische Adlige eingesetzt, die eine breite Machtbasis für den zweiten Feldzug Karls in den Süden aufbauen sollten.
Übrigens stellte dieser Feldzug auch für das Papsttum einen gewaltigen Einschnitt dar: Der Papst gewann große Gebiete in Mittelitalien. Und um der politischen Neuorientierung deutlichen Ausdruck zu verleihen, wurden fortan alle päpstlichen Dokumente nicht mehr nach den Regierungsjahren des oströmischen Kaisers datiert, sondern nach der Herrschaft des neuen Patrons, des fränkischen Königs Karl.

Karl und Leo III. – oder – Weihnachten 800
Am 25. April 799 überfiel eine Gruppe von adligen Römern Papst Leo III. Wenn wir dem Liber pontificalis glauben wollen, warfen sie ihn zu Boden, schnitten ihm die Augen und die Zunge heraus, um ihn später in einem Kloster gefangen zu setzen. Dort genas Leo III. auf wundersame Weise und floh mit Hilfe seines Kämmerers Albinus, indem er an einem Seil über die Mauer kletterte. Tatsächlich entsprechen diese Berichte wohl nicht ganz der Wahrheit. Es gibt Hinweise darauf, dass die Gegner des Leos III. diesen wegen Ehebruch und Meineid einem förmlichen Absetzungsverfahren unterzogen und seines Amtes enthoben.
Wie auch immer, Leo sah seinen einzigen Verbündeten in Karl. Nur der fränkische Herrscher verfügte über ausreichende Macht, um den Aufstand gegen ihn niederzuschlagen. Was blieb ihm also anderes übrig, als ins Frankenreich zu ziehen?

Karl der Große, 768-814. Denar, Tours (Saint Martin). Depeyrot – (vgl. 1051). Aus Auktion Künker 205 (12. und 13. März 2012), 1402. Die Abtei St. Martin in Tours wurde von Karls Mitarbeiter Alkuin geleitet. Durch seine Briefe sind wir über die Hintergründe der „Affäre Leo III.“ informiert.

Aus Briefen Alkuins, eines wichtigen Mitarbeiters Karls, wissen wir, dass Leo im Frankenreich alles andere als unkritisch aufgenommen wurde. Seine Gegner hatten bereits vor seiner Ankunft Vorwürfe erhoben, deren Wahrheitsgehalt nicht einmal der papstfreundliche Alkuin zu bestreiten versuchte. Stattdessen argumentierte er mit der Unangreifbarkeit des Nachfolgers Petri, dessen Immunität Karl als König der Franken zu schützen habe, vor allem weil das Amt des (oströmischen) Kaisers verwaist sei. Was übrigens so nicht stimmte. In Konstantinopel übte Kaiserin Irene dieses Amt aus. Aber eine Frau als Herrscherin konnte sich ein fränkischer Adliger schlichtweg nicht vorstellen.
Der feierliche Empfang des Papstes in Paderborn zeigte aller Welt augenscheinlich, dass sich Karl für Leo III. entschieden hatte. Er sandte ihn mit militärischer Begleitung zurück nach Rom, wo der Aufstand inzwischen zusammengebrochen war – inwieweit fränkische Truppen dabei eine Rolle gespielt hatten, lässt sich aus den Quellen nicht eindeutig entnehmen.
Ziemlich genau ein Jahr später, am 24. November 800, zog Karl selbst in Rom ein. Immer noch waren die Vorwürfe gegen Leo nicht aus der Welt geschafft. So berief Karl eine Synode ein, deren einziger Zweck es war, die Vorwürfe gegen Leo zu klären. Dies gelang nicht. Man verhandelte gute drei Wochen, bis nur mehr ein einziges Mittel offen blieb: Ein feierlicher Reinigungseid. So schwor Leo am 23. Dezember: „Ich habe keine Kenntnis von den falschen Anklagen, die jene Römer gegen mich vorgebracht haben, die mich ungerechtfertigterweise verfolgt haben, und ich weiß, daß ich derartiges nicht begangen habe.“

Die Krönung Karls des Großen, Darstellung Raffaels aus den Stanzen. Quelle: Wikipedia.

Warum Leo nicht der Prozess gemacht wurde? Wir wissen es nicht. Genauso wenig wie wir wissen, was der Inhalt der Verhandlungen war, die Karl und Leo miteinander geführt haben mögen. Auf jeden Fall krönte der Papst Karl am Weihnachtstag – um möglichst viele Augenzeugen für das unglaubliche Geschehen zu haben – zum römischen Kaiser. Vielleicht war das Dankbarkeit, vielleicht aber auch ein vorher ausgehandelter Preis, den Leo für seinen Freispruch zu zahlen hatte.

Der Porträtdenar Karls des Großen – Zeugnis für die Kaisererhebung
Am 12. und 13. März 2012 versteigert das Auktionshaus Künker in seiner Auktion Nr. 205 einen ausgesprochen seltenen karolingischen Denar mit dem Porträt Karls des Großen. Das rare Stück bildet den Höhepunkt einer umfangreichen Sammlung mittelalterlicher Münzen, zu denen ausgedehnte Partien von langobardischen und karolingischen Prägungen gehören. Von unserem Porträtdenar existieren weltweit weniger als 35 Exemplare.

Karl der Große (800-814). Porträtdenar. Denar, unbestimmte Münzstätte. KARLVS IMP AVC Büste n. r. mit Lorbeerkranz und umgelegtem Mantel. Rv. XPICTIANA RELICIO Kirchengebäude. Depeyrot 1166. Aus Auktion Künker 205 (12. und 13. März 2012), 1405. Schätzung 30.000 Euro.

Er zeigt auf der Vorderseite das nach rechts gewendete Brustbild des Herrschers. Er trägt den Lorbeerkranz der römischen Herrscher und das Paludamentum, den Reitermantel, der römischen Feldherrn. Die Umschrift – KARLVS IMP(erator) AVG(ustus) – und das Bild nimmt deutlich Bezug auf die antiken Vorbilder. Doch der Denar ist weit mehr als eine einfache Nachahmung. Denn die Rückseite nimmt Bezug auf das Neue: Um ein kirchliches Gebäude lesen wir die Umschrift XPICTIANA RELICIO (christlicher Glauben).
Seit Jahrzehnten diskutieren Wissenschaftler, wann genau diese für das Mittelalter so ungewöhnlichen Münzen entstanden. Am einfachsten wäre es natürlich – wie es die ältere Forschung auch tat – eine Prägung direkt nach der Erhebung Karls zum Kaiser anzunehmen.
Doch neuere Forschungen ziehen diese Datierung in Zweifel. Es gelang, eine relative Chronologie der verschiedenen Prägungen Karls zu erarbeiten. In dieser Chronologie gehören die Bildnisdenare ganz ans Ende, und es ist schlichtweg nicht vorstellbar, daß aus den Jahren zwischen 800 und 814 nur so wenige Münzen überlebt haben.
Zwei Möglichkeiten würden die geringe Zahl erklären. So könnte es sich um eine Festemission handeln, die anlässlich der Kaiserkrönung ausgegeben wurde. Ein anderer Vorschlag nimmt als Datum die Anerkennung Karls von Seiten des Oströmischen Kaisers im Jahre 812 an. Doch damit hätte Karl sein Kaisertum sichtbar von der Anerkennung durch Byzanz abhängig gemacht, was sehr unwahrscheinlich ist, wenn man Karls sonstige Politik betrachtet.
Doch auch wenn die Datierung nicht bis ins letzte Detail geklärt ist, faszinieren diese ungewöhnlichen Prägungen. Mit 30.000 Euro hat Künker unser Schlüsselstück der karolingischen Numismatik geschätzt, das in unvergleichbarer Weise an einen Höhepunkt abendländischer Geschichte erinnert.

Ausführlich stellen wir die Auktion hier vor.