Seleukidische Münzen – Teil II

Von David S. Michaels (CNG)

Der erste Teil dieses Artikels hat uns eine Einleitung zum Sammelgebiet der seleukidischen Münzen sowie einen Überblick über die Forschungsgeschichte vermittelt. Außerdem wurde Seleukos I. vorgestellt.

Antiochos I. Soter. AE. Antiochia am Orontes. Aus Auktion CNG 421 (2018), 250.

Antiochos I. Soter (294-261 v. Chr.)

Der älteste Sohn Seleukos’ I., Antiochos, erlernte das Rüstzeug der guten Heeresführung von seinem Vater und führte 301 v. Chr. ein entscheidendes Kavalleriegefecht während der Schlacht bei Ipsos an. Als Seleukos im Jahr 299 v. Chr. die wunderschöne Stratonike zur Frau nahm, verliebte sich Antiochos so sehr in sie, dass man hätte meinen können, er würde daran sterben. 294 übergab Seleukos Stratonike seinem Sohn als Ehefrau; gleichzeitig machte er Antiochos zum Mitregenten und entsandte die Frischvermählten in einen neuen Herrschaftsbereich im Osten. Damit löste er eine Situation im Palast auf, die durchaus unangenehm gewesen sein muss. Nach dem Tod seines Vaters 280 v. Chr. übernahm Antiochos die Herrschaft ohne Probleme, doch hatte er alle Hände voll damit zu tun, das riesige vielsprachige Reich, das er geerbt hatte, zusammenzuhalten. Zwei große Kriege gegen die Ptolemäer endeten in einer Sackgasse, aber die größte Herausforderung, die er zu bewältigen hatte, waren die Massen an kriegerischen keltischen Stämmen, die in den 270er-Jahren v. Chr. in Kleinasien einfielen und drohten, die gesamte griechische Zivilisation auszulöschen. Antiochos stellte sich ihnen entgegen und siegte um 269-268 v. Chr. entscheidend in der Elefantenschlacht (sie erhielt ihren Namen aufgrund des Einsatzes der Kriegselefanten). Zum Dank verliehen ihm die Griechen daraufhin den Titel Soter („Retter“).

Antiochos I. Soter. Tetradrachme, Ai Khanoum, 271-266. Aus Auktion CNG 109 (2018), 221.

Die Münzprägung von Antiochos I. war noch umfangreicher als die seines Vaters. Sein Portrait, das ihn mit schweren Augenbrauen und etwas schwermütigem Gesichtsausdruck zeigt (wir können uns daher gut vorstellen, wie ihn wegen seiner Gefühle für Stratonike der Liebeskummer plagte), ist häufig auf silbernen Tetradrachmen in Auktionskatalogen und auf dem Lager von Münzhändlern auf der ganzen Welt zu finden. Der Rückseitentyp, den er einführte, wurde auf den Rückseiten seleukidischer Münzen für mehr als ein Jahrhundert zum Standard: er zeigt Apollon, der nach links auf dem Omphalos von Delphi sitzt. Der Omphalos war ein mit Wollgirlanden überzogener heiliger Stein und galt als „Nabel der Welt“. Apollons linke Hand liegt auf einem niederlegten Bogen, und der Gott begutachtet in seiner rechten Hand den Pfeilschaft.

Antiochos I. Soter. Tetradrachme, Magnesia ad Sipylum. Aus Auktion CNG 109 (2018), 215.

Eine seltene und künstlerische Variante dieses Typs, die in der Münzstätte von Magnesia am Sipylos geprägt wurde, zeigt Herakles, der sich nach getaner Arbeit ausruht. Der Stil der Abbildung und die Eleganz der Rückseite variieren je nach Münzstätte. Auf manchen Münzen erscheint Antiochos als energischer Mann mittleren Alters, während er auf anderen eher voller Falten und überarbeitet aussieht.

Antiochos III. „der Große“. Tetradrachm, Antiochia am Orontes, 197-192/0. Aus Auktion CNG 109 (2018), 259.

Antiochos III. „der Große“ (222-187 v. Chr.)

Der Reichtum der Seleukiden war geschwunden, als Antiochos III., der Ur-Urenkel des Nikators, den Thron nach der Ermordung seines älteren Bruders übernahm. Das ehemals mächtige Königreich war durch dynastische Streitereien, Einfälle an den Grenzen und Aufstände im Inneren zerrissen worden. Es schien kurz vor seinem Ende zu stehen. Der junge Antiochos gab bekannt, dass er beabsichtige, das Reich seiner Vorfahren wiederherzustellen. Und nach unvorstellbar siegreichen drei Jahrzehnten, schien er um 192 v. Chr. genau das erreicht zu haben. Es zeugt nicht unbedingt von Bescheidenheit, dass er sich selbst den Namen Megas Basileos („Großer König“) gab. Damit forderte er, nicht nur mit Alexander, sondern auch mit den achämenidischen Königen von Persien gleichrangig zu sein.

Antiochos III. „der Große“. AV-Oktadrachme, unbekannte Münzstätte in Mesopotamien, um 197-192/0. Aus Auktion Triton XIX (2016), 286.

Doch auf dem Gipfel seines Erfolges forderte er sein Glück heraus und beschloss, das griechische Festland anzugreifen. Damit sah er sich direkt mit der aufsteigenden römischen Republik konfrontiert, die sich selbst zur Garantin der griechischen Freiheit erklärt hatte. Zum Schock aller, war Antiochos nicht ganz so groß und erlitt 190 v. Chr. eine vernichtende Niederlage in der Schlacht bei Magnesia. Er kam gerade so mit dem Leben davon. Der demütigende Vertrag, den ihm die Römer aufbürdeten, und die Kriegsentschädigung in Höhe von 15.000 Talenten (ca. 22,5 Millionen Tetradrachmen), die er jährlich zu zahlen hatte, machten alle früheren Erfolge zunichte. Das Königreich befand sich wieder auf dem absteigenden Ast.

Antiochos III. „der Große“. Drachme, Apamea am Orontes, 223-211. Aus Auktion Triton XVIII (2015), 151.

Die Münzen von Antiochos III. zeigen zumeist den bekannten Typ: Königliches Porträt / Apollo auf dem Omphalos. Die Porträtzüge veränderten sich im Laufe seiner Herrschaft von denen eines unreifen Jugendlichen zu einem Kämpfer mit markanten Gesichtszügen. Einer der interessantesten Typen zeigt auf der Rückseite statt Apollon einen indischen Kriegselefanten, was (erneut) auf die Bedeutung der Elefanten in der hellenistischen Kriegsführung schließen lässt. Tetradrachmen mit Elefanten gehören zu den teuersten seleukidischen Raritäten und werden meist für mehrere tausend Dollar verkauft. Die silbernen Drachmen hingegen sind häufiger zu finden und können für einen mittleren dreistelligen bis niedrigen vierstelligen Betrag ersteigert werden.

Antiochos IV. Epiphanes. Tetradrachme, Antiochia / Persis. Aus Auktion CNG 109 (2018), 289.

Antiochos IV. Epiphanes (175-164 v. Chr.)

Er ist wohl der einzige Seleukidenkönig, der es ins kollektive Gedächtnis geschafft hat: Der „schlechte König Antiochos“ ging als Tyrann, als Megalomane und als unbeabsichtigter Urheber des Chanukka, des jüdischen Lichterfestes, in die Geschichte ein. Der jüngere Sohn von Antiochos III. „dem Großen“ verbrachte seine Jugend als Geisel in Rom, bis ihm die Ermordung seines Bruders auf den seleukidischen Thron verhalf. Von Beginn an versuchte er, energisch sein Königreich durch eine Hellenisierungs- und Urbanisierungspolitik zu stärken. Die griechischen Untertanen befürworteten das, doch die Semiten waren weniger begeistert. Dass er sich selbst als Epiphanes („der erschienene Gott“) bezeichnete, verursachte Feindseligkeit. Die Juden gaben ihm den Spitznamen Epimanes, also „Wahnsinniger“. Durch seine Plünderung des großen Tempels in Jerusalem wurde der Widerstand zur aktiven Rebellion. Es folgten Jahre bitteren Krieges. Am Ende entstand daraus ein jüdischer Sezessionsstaat unter den Makkabäern, die Juden eroberten Jerusalem zurück, der Tempel wurde wieder aufgebaut und das erste Chanukka gefeiert.

Antiochos IV. Epiphanes. AE, Antiochia am Orontes, 169-168. Aus e-Auktion CNG 439 (2018), 197.

Doch für Antiochos war die jüdische Rebellion nur ein kleiner Zwischenfall, da er ein wichtigeres Ziel im Auge hatte. 168 v. Chr. fiel er mit seinem gut ausgebildeten Heer in Ägypten ein und wischte jede Form des Widerstands beiseite. In Eleusis traf er auf einen einzelnen römischen Magistraten, den betagten Popillius Laenus, der ihm einen Beschluss des römischen Senats überreichte, in dem sein sofortiger Rückzug gefordert wurde. Laenus zeichnete daraufhin in einer dramatischen Geste einen Kreis um den König in den Sand und verlangte eine Antwort, bevor dieser den Kreis verlasse. Antiochos hatte keine andere Wahl: Er musste sich unterwerfen, oder er würde das Schicksal seines Vaters bei Magnesia teilen. Antiochos kehrte mit seinen Truppen zurück nach Syrien, plünderte auf dem Weg Jerusalem und verbrachte den Rest seines Lebens damit, sich königlicher Hemmungslosigkeit hinzugeben.

Antiochos IV. Epiphanes. Tetradrachme. Antiochia am Orontes, ca. 166. Aus Auktion Triton XIX (2016), 290.

Ganz wie der Mann selbst, so war auch seine Münzprägung extravagant, vielseitig und komplex. Auf seinen Münzen mit Porträt wurde Apollon auf der Rückseite durch einen thronenden Zeus ersetzt. Er ließ außerdem eine Reihe wunderschöner Sonderprägungen ausgeben, die mit der höchsten Kunstfertigkeit seiner Zeit Zeus und Apollon ehren. Diese beiden Münztypen sind selten und dementsprechend teuer, wenn sie in einer Auktion vorkommen. Im Allgemeinen sind seine Münzen im mittleren Preissegment zwischen 500 und 1.500 Dollar relativ einfach zu erhalten, seine kleineren Silber- und Bronzenominale können ziemlich günstig erworben werden.

Kleopatra Thea & Antiochos VIII. Tetradrachme, Damaskus, 120/19. Aus e-Auktion CNG 427 (2018), 287.

Kleopatra Thea (152-121 v. Chr.)

Die Tochter des ägyptischen Königs Ptolemaios VI., Kleopatra Thea, heiratete 150 v. Chr. den seleukidischen Usurpator Alexander I. Balas, um die Verbindung zwischen den beiden Königreichen zu stärken. Doch bereits fünf Jahre später wurde Balas entthront und abgesetzt. Seine Gemahlin zeigte bemerkenswertes Stehvermögen und bewies, dass sie eine versierte Akteurin im hellenistischen Kampf um den Thron war. Innerhalb von 30 Jahren war Kleopatra Thea ptolemäische Prinzessin, Gattin von drei Königen (Balas, seinem Nachfolger Demetrios II. und Antiochos VII.), Königin aus eigenem Recht und Mutter zweier weiterer Könige. Sie war sowohl skrupellos als auch ehrgeizig und prägte in großem Ausmaß die Politik ihrer Zeit. 125 v. Chr. übernahm sie selbst die Herrschaft. Hierfür musste sie ihren ältesten Sohn Seleukos V. ermorden – angeblich benutzte sie ihn als Zielscheibe für Übungen im Bogenschießen! Sie war nur für kurze Zeit alleine auf dem Thron. Dann überzeugte man sie, die Macht mit ihrem jüngsten Sohn Antiochos VIII. Grypos zu teilen. Dieser letzte Sohn trat 120 v. Chr. aus ihrem gebieterischen Schatten hervor, indem er sie zwang, einen Becher mit vergiftetem Inhalt zu trinken, den sie eigentlich für ihn vorgesehen hatte.

Kleopatra Thea. Tetradrachme, 125. Ptolemais, 125. Aus CNG Auktion 109 (2018), 328.

Es ist einzigartig in der Serie seleukidischer Münzen: Kleopatra erscheint sowohl alleine auf ihren Prägungen als auch zusammen mit ihren verschiedenen Ehemännern und Söhnen. Eine seltene Goldmünze, geprägt nach dem Vorbild der berühmten Emissionen der ptolemäischen Königinnen, zeigt sie im Schleier mit einem Füllhorn auf der Rückseite. Auf silbernen Tetradrachmen, auf denen sie gemeinsam mit einem seleukidischen König (zuerst mit ihrem Ehemann Balas, später mit dem Sohn Antiochos VIII.) zu sehen ist, ist ihr Portrait an höchster Stelle platziert. Einen expliziteren Beweis für ihre starke Persönlichkeit gibt es wohl kaum.

Buchempfehlungen: Allgemein

  • Alexander to Actium: The Historical Evolution of the Hellenistic Age von Peter Green (University of California Press; Neuauflage 1993). Eine gewaltige, aber durchaus lesenswerte Beschreibung der hellenistischen Welt. 
  • Land of the Elephant Kings: Space, Territory, and Ideology in the Seleucid Empire von Paul J. Kosmin (Harvard University Press; Neuauflage August 2018). Zwar ist es für ein wissenschaftliches Publikum geschrieben, doch stellt es eine neue und umfassende Herangehensweise dar.

Buchempfehlungen: Numismatik

  • Seleucid Coins: A Comprehensive Catalog, Part I, Volumes I-II, von Arthur Houghton und Catharine Lorber, mit metrologischen Tabellen von Brian Kritt (ANS/CNG, 2002). Eine vollständige und umfassende Darstellung, die die Herrschaft von Seleukos I. bis Antiochos III. abdeckt. Biographische und erzählerische Aspekte werden mit einem genauen Katalog der bekannten Prägungen verbunden. Beinhaltet außerdem Karten, Tabellen und Tafeln, die die meisten Münztypen darstellen.
  • Seleucid Coins: A Comprehensive Catalog, Part II, Volumes I-II, von Houghton, Lorber, und Oliver Hoover (ANS/CNG, 2008). Führt die Darstellungen des ersten Bandes von Seleukos IV. bis Antiochos XIII. und der Auflösung des seleukidischen Königreiches weiter.
  • Handbook of Syrian Coins (Handbook of Greek Coinage Series, Volume 9): Royal and Civic Issues von Oliver D. Hoover (CNG, 2009). Ein knappes, kompaktes, lesenswertes und sehr nützliches Buch, das alle seleukidischen Prägungen abdeckt.

Internetquellen:

  • „Seleucid Coins Online“ ist eine umfangreiche digitale Datenbank, die von der American Numismatic Society als Teil des Hellenistic Royal Coinages (HRC) Projektes, geführt von Dr. Peter van Alfen und Ethan Gruber, verwaltet wird. SCO wurde von Oliver Hoover entwickelt. Die digitale Datenbank selbst, die auf der Numishare-Plattform basiert, wurde von Ethan Gruber entwickelt. Neben den Münzen selbst, bietet die Seite auch Zugang zu hervorragenden Karten und einer Liste von Nachschlagewerken.

Mehr Information sowie abgelaufene und aktuelle Auktionen von CNG sind online verfügbar.

Der Autor David Michaels gehört seit dem 1. Juli 2018 zum Team von CNG.

Sie können David Michaels via E-Mail erreichen.