Nudeln sind die neuen Zigaretten

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von Annika Backe

17. November 2016 – Kaum eine Fernsehsendung über den Alltag in einem modernen Gefängnis kommt ohne den Hinweis auf die Parallelwährung aus, mit denen Inhaftierte ihren Lebensstandard anheben wollen. Werden normalerweise Produkte und Dienstleistungen mit Tabak und Zigaretten bezahlt, bevorzugen amerikanische Insassen neuerdings Instant-Fertignudeln. 

Regal mit Ramen-Packungen in einem Supermarkt in Orange County, California. Foto: Nandaro / https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de

Chinesisches Fast Food

Ursprünglich von den Chinesen erfunden, wurden die Ramen genannten Fertignudeln vom Japaner Momofuku Ando seit 1958 kommerziell vertrieben. Sie sind eine durch Frittieren und Trocknen haltbar gemachte, preiswerte Variante dessen, was hierzulande wohl jeder Student als „5-Minuten-Terrine“ kennt. Mit etwas heißem Wasser zubereitet, wird beides zu einer schnellen und sättigenden Mahlzeit. 

Ramen ist im japanischen Shin-Yokohama ein eigenes Museum gewidmet. Foto: Calton / https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

Nudeln als prämonetäre Geldform in US-amerikanischen Gefängnissen

Klingt die Meldung erst einmal unspektakulär, hat sie nach einer Studie des Soziologen Michael Gibson-Light von der Universität von Arizona einen ernsten Hintergrund. So habe sich Ramen deswegen als Währung etablieren können, weil die Gefangenen schlicht Hunger hätten. Als ein Ergebnis von administrativen Sparbemühungen sei das Essen nicht nur schlechter, sondern auch weniger geworden, so Gibson-Light. Schließlich dürfe die Verpflegung eines Häftlings täglich nicht mehr als 2,50 Dollar kosten.

Auch wenn Kritiker der Studie mangelnde Repräsentativität vorwerfen mögen – Gibson-Light hatte von den ca. 2,3 Millionen Häftlingen insgesamt nur rund 60 befragt – wirft sie doch ein Licht auf die alarmierend schlechten Zustände in Amerikas Haftanstalten.
Was sie aber auch ins Bewusstsein rückt, ist die Tatsache, dass Parallelwährungen und Notgeld seit jeher primär ein Produkt von Krisen sind. Die Nudel-Produzenten zumindest dürfte es freuen: Der Boom des handlichen Ramen-Blocks als eigenständige Währung, obwohl aus der Not geboren, wird ihnen wohl weiterhin guten Umsatz bescheren. 

Hintergrundinformationen zur erwähnten Studie finden Sie auf der Seite der American Sociological Association.

Mehr über den Ramen-Erfinder Momofuku Ando lesen Sie hier.

Der ehemalige Häftling Gustavo “Goose” Alvarez gab ein ganzes Ramen-Kochbuch heraus. 

Und auf die negativen gesundheitlichen Folgen von zu hohem Ramen-Konsum verweist ein Artikel im The Guardian.