Numismatische Schätze eines Sammlers aus der Zeit der Renaissance

[bsa_pro_ad_space id=4]

von Ursula Kampmann

2. März 2017 – Irritamenta, lateinisch für Reizendes, so überschreibt John Cunnally seine Publikation zu einem Manuskript, das 1955 in die Houghton Library gelangte. Es ist eine enigmatische Publikation, eine Art gemalter Sammlungskatalog, der gemäß einer wesentlich jüngeren Glosse von dem berühmten Kunsthändler Jacopo Strada für die Fugger im Jahr 1550 angefertigt worden sein soll. Diese Publikation enthält „Reizendes“ oder, wie John Cunnally im Titel seines Buchs ausführt, „Numismatische Schätze eines Sammlers aus der Zeit der Renaissance.“

John Cunnally, Irritamenta. Numismatic Treasures of a Renaissance Collector. 2 Bde. Numismatic Studies 31. American Numismatic Society, New York 2016. Hardcover. 21,8 x 30,2 cm. Bd. 1 Text: 411 S. mit Abbildungen in Schwarz-Weiß. Bd. 2 Tafeln: 324 Tafeln in Farbe. ISBN: 978-0-89722-342-3. USD 200 (ca. 188 Euro) + Porto.

Bei dem Sammler handelt es sich um den Venezianer Andrea Loredan, Mitglied einer bedeutenden venezianischen Familie, die mehrere Dogen stellte. Wir wissen dies, weil das Manuskript wunderbar detaillierte Darstellungen der einzelnen Münzen enthält, die Loredan besaß. Und da dieser zahlreichen Antiquaren den Zugang zu seiner Sammlung ermöglichte, beschrieben diese seine Münzen und bezogen sie in ihre Werke mit ein. So erwähnt Enea Vico in seinen Discorsi einige überaus seltene Münzen Loredans unter Angabe des Namens des Besitzers und sichert so die Zuschreibung des Katalogs an den Sammler.

So großzügig Andrea Loredan den Besuch seiner Sammlung für Antiquare ermöglichte, so schwierig scheint er gewesen zu sein, sobald es an den Verkauf seiner Sammlung ging. Anscheinend verhandelte er mit Strada und übergab ihm einen Katalog, anhand dessen sich ein potentieller Käufer zum Kauf entschließen sollte. Bei diesem Katalog dürfte es sich um das heute in der Houghton Library aufbewahrte Exemplar handeln. Doch kurz darauf beschuldigte er den berühmten Kunsthändler, den Katalog gestohlen zu haben. Ein paar Jahre später einigte sich Strada mit Loredan und vermittelte seine Sammlung an Herzog Albrecht von Bayern für 7.000 Gulden Provision, wobei es anscheinend auch bei diesem Verkauf zu Reibereien kam. Diese Geschehnisse, die durch die Briefe Stradas ziemlich gut überliefert sind, weisen darauf hin, dass Strada zwar das Manuskript nicht anfertigen ließ, es aber wahrscheinlich beim Verkauf durch seine Hände ging, was die Glosse erklären dürfte, in der er als Urheber genannt wird.

John Cunnally rekonstruiert all diese Vorgänge und weist nach, dass die Münzsammlung nach dem Verkauf an den Herzog von Bayern nicht in München verblieb, sondern verstreut wurde. So bleibt nichts als das Manuskript, um nachzuvollziehen, welche Schätze ein Sammler in der Renaissance zusammenzutragen in der Lage war.

Zu diesem Zweck nimmt der Autor für jede einzelne der 1.220 Abbildungen des Buches eine genaue Beschreibung und Bestimmung vor. Er ergänzt sie durch Hinweise, teils zu den Münzen, teils zu Missverständnissen und Misskonzeptionen des Künstlers. Dadurch gewinnt der Leser einen guten Eindruck von dem, was ein Sammler in einer so internationalen Stadt wie Venedig kaufen konnte – bemerkenswert ist vor allem die sehr hohe Zahl an griechischen Münzen, die Präsenz einiger jüdischer und vor allem islamischer Münzen. Und er realisiert gleichfalls, über welch hochrangiges numismatisches Wissen der Künstler verfügte, der so souverän die Inschriften zu ergänzen wusste.

Wer selbst die Schönheit der Abbildungen beurteilen möchte, dem gibt der Autor in einem zweiten, geradezu bibliophil zu nennendem Band eine hervorragende Reproduktion des Katalogs in die Hand.

Die für Europa über Oxbow Books vertriebene Publikation der ANS gehört in den Rahmen von FINA (= Fontes Inediti Numismaticae Antiquae), ein Projekt einiger Wissenschaftler, die bisher ungedruckte Quellen zur Numismatik des 16. bis 18. Jahrhunderts publizieren. „Irritamenta“ ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte des Münzhandels, den jeder Münzhändler sich kaufen sollte, der sich Sorgen macht wegen des deutschen Kulturgüterschutzgesetzes. Denn dieses Buch beweist eindeutig, dass in Deutschland bereits im 16. Jahrhundert nicht nur römische und griechische, sondern auch islamische Münzen gehandelt wurden. Eine Aussage, die man nicht oft genug wiederholen kann.

Europäer können das Buch über Oxbow beziehen.

Für interessierte Käufer aus den USA dürfte es einfacher sein, das Buch im ANS Store zu kaufen.