Die byzantinischen Gewichte aus dem Genfer Musée d’art et d’histoire

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von Ursula Kampmann

21. Mai 2015 – Das Musée d’art et d’histoire de Genève birgt einen Schatz in seinem Depot. Es handelt sich um die Sammlung eines Numismatikers, dessen Name jedem vertraut ist, der sich mit der Geschichte des Schweizerischen Münzhandels beschäftigt hat: Der Genfer Lucien Naville ermöglichte es dem Münchner Münzhändler Dr. Jakob Hirsch seine ersten Versteigerungen durchzuführen. So wurde unter dem Namen Naville die heute noch gerne zitierte Sammlung Pozzi verauktioniert oder die Sammlung des Ausgräbers von Knossos, Sir Arthur John Evans.
Selbst hatte Lucien Naville einen für die damalige Zeit ungewöhnlichen Geschmack. Er sammelte keine griechischen Prägungen, auch wenn er das heute noch zitierte Standardwerk über Münzen der Kyrenaika schrieb, sondern beschäftigte sich mit spätrömischer und byzantinischer Metrologie. Zu diesem Zweck trug er eine beeindruckende Sammlung von Gewichten zusammen, die seine Witwe 1956 dem Genfer Musée d’art et d’histoire schenkte.

Matteo Campagnolo, Klaus Weber, Poids romano-byzantins et byzantins en alliage cuivreux. Collections du Musée d’art et d’histoire – Genève. Musée d’art et d’histoire, Genf, 2015. 192 S., Abbildungen in Farbe. 25 x 29,3 cm. Hardcover. ISBN: 978-88-7439-702-0. 55 Euro.

Es war ein glücklicher Zufall, dass dazu nur wenige Jahre später die Sammlung von Nadine Naccache-Pereire erworben werden konnte. Auch sie enthielt Gewichte, aus der Antike und islamischer Zeit. Immer wieder konnten in den vergangenen Jahren metrologisch, historisch und numismatisch bedeutsame Gewichte dazu erworben werden, und das dank der Ratschläge eines weiteren Spezialisten für byzantinische Metrologie, Klaus Weber. Nun wird die umfangreiche Sammlung des Musée d’art et d’histoire veröffentlicht. Der Kurator der Münzsammlung, Matteo Campagnolo, legt nicht nur einen wissenschaftlichen Katalog vor, sondern hat ein wundervolles, bibliophiles Werk geschaffen.

„Das Gewicht ist die Basis des Handels, und das so weit das historische Gedächtnis zurückreicht.“ So beginnt der Autor seine Einleitung ins Thema, in der er in einer knappen, luziden Sprache die numismatisch-historische Bedeutung der Gewichte aufschlüsselt, die uns aus spätrömischer und byzantinischer Zeit erhalten geblieben sind. Damit gibt er dem Leser eine Hilfestellung, wie die 488 Gewichte der Sammlung interpretiert werden müssen.

Und das ist gut, denn das Material ist zumeist spröde. Nur wenige Gewichte weisen eine figürliche Darstellung oder gar eine längere Inschrift auf. Die meisten sind lediglich mit Buchstaben für das Gewicht und mit einem Kreuz bezeichnet. Auch wenn die Machart einst spektakulär gewesen sein muss, mit all diesen Einlagen aus Edelmetall, bestechen nur die wenigsten Stücke durch ihre Schönheit.
Umso mehr muss man es loben, wie es den Photographen und Graphikern gelungen ist, ein ansprechendes Buch zu gestalten. Jedes Detail ist auf den Abbildungen zu erkennen! Und wo die Abbildung versagt, zeigen Zeichnungen, worauf es ankommt.

Matteo Campagnolo hat mit seinem Buch ein neues Zitierwerk für byzantinische Gewichte geschaffen, das in jede anspruchsvolle Bibliothek zur byzantinischen Numismatik gehört. Darüber hinaus macht es Spaß, das Buch zu lesen und darin zu blättern und sich über die numismatische Hinterlassenschaft des großen Lucien Naville und seiner Sammelkollegin Nadine Naccache-Pereire zu freuen.