Die Zürcher und ihr Geld 3: Auf dem Markt von Zürich


mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum

In unserer Serie „Die Zürcher und ihr Geld“ nehmen wir Sie mit in die Welt des vergangenen Zürich. In dieser Folge lesen Sie einen Dialog zwischen einem stadtfremdem Käufer, der 1335 versucht, seine Einkäufe zu bezahlen. Dazu gibt es wie auf einer guten DVD ein Making of, also welcher numismatisch-historische Hintergrund zu diesem Gespräch gehört.

1335. Ein stadtfremder Käufer versucht, seine Einkäufe auf dem Markt von Zürich zu bezahlen. Gezeichnet von Dani Pelagatti / Atelier bunterhund. Copyright MoneyMuseum / Zürich.

Marktfrau: Also, das wär’s dann. Oder möchtest du noch was?

Käufer: Nein, ich denke, das wär’s.

Macht 4 Schilling 8 Pfennige.

Ich war nicht beim Wechseln, aber ich habe von meinem letzten Besuch in Zürich noch Zürcher Pfennige.

Zeig sie her. (Pause) Nein, tut mir leid, die darf ich nicht annehmen.

Warum nicht? Das sind doch keine Berner oder Solothurner Pfennige. Ich weiß, dass die bei euch verboten sind. Das ist Zürcher Geld. Die Pfennige da hast du selbst mir das letzte Mal herausgegeben.

Das stimmt schon, aber inzwischen hat der Rat beschlossen, neue Pfennige zu prägen. Und die alten dürfen wir nicht mehr annehmen. Du, wenn die mich hier auf dem Markt mit deinen Pfennigen erwischen, muss ich eine hohe Strafe zahlen. Du übrigens auch.

Was, ich muss Strafe zahlen, dafür dass ich mit euren eigenen Münzen zahle?

Ja. Letzthin hat es einen Erlass des Rats gegeben. Wir dürfen nur neue Pfennige in Zahlung nehmen. Die alten Pfennige können das Lot zu 3 1/2 Schilling neuer Pfennige getauscht werden. Also ungefähr zwei alte gegen einen neuen Pfennig. Wenn du mehr als 120 Pfennige wechseln willst, musst du sowieso in die Münzstätte gehen.

Ach komm, du kannst doch die Münzen später tauschen. Ich hab’s heute wirklich eilig. Ich gebe dir auch 2 Pfennige drauf. Ist das ein Angebot?

Hast du mich nicht richtig verstanden? Ich habe nein gesagt. Ich darf hier auf dem Markt die Dinger nicht annehmen. Mir ist das Risiko zu groß. Weißt du, was für eine Strafe darauf steht, wenn ich deine alten Münzen in Zahlung nehme? Fünf Schilling kostet mich das!

Sieht doch niemand.

Hast du eine Ahnung. Die krumme Gret ist eh so neidisch, weil’s so gut läuft bei mir. Die würde mich sofort verpfeifen! Nein, begreif’s doch endlich.

Dann kann ich deine Ware nicht kaufen. Ich habe heute einfach nicht die Zeit, um zum Wechseln zu gehen.

Mist, und außer Zürcher Geld hast du kein anderes?

Doch, so ein bisschen von diesem und jenem.

Also Konstanzer und Straßburger Pfennige darf ich annehmen, Kreuzer, Turnosen und natürlich Soldini aus Venedig. Aber ich habe keine Ahnung, wie der Kurs gerade steht. Da müsste ich mich erst einmal erkundigen.

Tu das, ich habe Konstanzer Pfennige und ein paar Turnosen. Vielleicht kommen wir ja doch noch ins Geschäft.

Das will ich hoffen, einen Moment, ich bin gleich wieder da.

Vierzipfliger Pfennig um 1320. Büste der Äbtissen der Fraumünsterabtei von vorne. Aus Auktion Münzen und Medaillen 35 (2011), 576.

Making of:
Im Jahre 1336 stürmten Handwerker das Rathaus von Zürich. Als Grund ihres Aufstands gaben sie im so genannten Ersten Geschworenen Brief an, der Rat habe durch seine ungleiche Rechtsprechung, seinen Hochmut und die Veruntreuung der öffentlichen Gelder den Zorn der Stadtbevölkerung erregt. Wahrscheinlich spielte bei diesem Zorn ein ganz spezieller Erlass eine Rolle, welchen der Zürcher Rat wohl 1335 verkündet hatte. Damals wurde die Benutzung der alten Zürcher Pfennige verboten.

In neun Paragraphen legte der Rat fest, wie der Zahlungsverkehr in Zürich funktionieren sollte. Paragraph 1 verbot bei Androhung von hohen Strafen, in alter Zürcher Währung zu zahlen. Die Bußen waren in einem nachträglichen Einschub genau geregelt, so dass wir in unserem Dialog exakt angeben konnten, wie viel die Marktfrau hätte zahlen müssen, wäre sie bei dem Geschäft erwischt worden.

Der zweite Abschnitt beschäftigte sich mit den Anliegen auswärtiger Marktbesucher. Das Gesetz schützte sie vor Unwissenheit, indem es den Zürchern verbot, ihre alten Pfennige den fremden Verkäufer „anzudrehen“. Wer noch alte Pfennige besaß – wie unser Besucher im Hörspiel –, der konnte sie an den dafür vorgesehenen, von der Stadt überwachten Wechselstellen eintauschen. Drei Wechsel richtete der Zürcher Rat ein, zwei kleinere Filialen dies- und jenseits der Limmat. Dort konnten kleinere Summen unter 120 Pfennigen (= 10 Schillinge) gewechselt werden. Wer mehr alte Pfennige besaß, musste sich an die Münzstätte wenden. Die besaß übrigens nicht nur das Monopol auf größere Wechselgeschäfte, sondern – wie im 4. Abschnitt des Erlasses festgelegt – auch das alleinige Handelsrecht für rohes Silber.

Köln. Tournose des Walram, Graf von Jülich, o. J. (1343), Deutz. Aus Auktion Künker 44 (2005), 594.

Drei Paragraphen beschäftigten sich mit auswärtigen Währungen. Kaum eine Stadt, kaum ein Land schaffte es vor Mitte des 19. Jahrhunderts genug Münzen zu prägen, um das eigene Währungsgebiet ausschließlich mit den eigenen Prägungen zu versorgen. Trotzdem lag es im Interesse der Obrigkeit zu kontrollieren, welche Münzen auf ihrem Markt umliefen. So legte der Zürcher Rat in besagtem Edikt genau fest, welche Währungen angenommen werden durften und welche nicht.
Alle Goldmünzen waren in Zürich gültige Währung – kein Wunder, denn Zürich durfte zu diesem Zeitpunkt selbst keine Goldmünzen prägen und war auf auswärtige Importe angewiesen. Ferner durften die Silbermünzen genommen werden, deren Gewicht und Silbergehalt für seine Stabilität bekannt waren. Dazu gehörten französische Turnosen, Soldini aus Venedig, Tiroler Kreuzer, die Haller aus Schwäbisch Hall, sowie Straßburger und Konstanzer Pfennige. Streng verboten war der Gebrauch von Berner, Burgdorfer und Solothurner Währung. Pfennige aus diesen Städten wechselte nicht einmal die Münzstätte. Freiburger, alte Basler und Zofinger Pfennige durften angenommen werden. Für sie zahlte man pro Lot, also für 14,82 g. jeweils 48 neue Zürcher Pfennige. Alle anderen Pfennige wurden mit 39 neuen Zürcher Pfennigen pro Lot gewechselt.

Das uns erhaltene Edikt gibt einen guten Einblick, wie schwierig allein die Kenntnis aller fremden Währungen und ihrer Wechselkurse für einen Händler gewesen sein muss – kein Wunder, dass unsere Marktfrau erst einmal nachfragt, bevor sie die Turnosen und Soldini ihres Kunden annimmt. Allerdings war dies auch ein Kunstgriff, um unser Unwissen zu verschleiern. Wir kennen den Wechselkurs dieser Münzen nur in ganz seltenen Beispielen.

Es versteht sich fast von selbst, dass das Verfälschen sowie das Einschmelzen von Zürcher Münzen, wie im letzten Artikel des Edikts zu lesen, streng verboten war.

Kommen wir noch kurz auf die historische Einordnung dieses Dokuments zu sprechen. Im Jahr 1330 drohte der reichsfreien Stadt Zürich zusammen mit St. Gallen, Schaffhausen und Rheinfelden die Verpfändung an die Habsburger. Kaiser Ludwig der Bayer plante, die vier Städte für insgesamt 20.000 Mark Silber praktisch zu verkaufen. Für die Stadt Zürich hätte das eine eklatante Einschränkung ihrer Freiheit bedeutet. Dies wollte der Rat der Stadt verhindern. So brachte er mit Hilfe von Anleihen reicher Bürger und Darlehen bei Juden und Cawerschen genügend Geld auf, um die Bedürfnisse des Kaisers zu befriedigen.

Dieses Geld musste natürlich über direkte oder indirekte Steuern mit Zins und Zinseszins wieder eingebracht werden. Dazu bediente man sich auch des Mittels der Geldverschlechterung. Mittlerweile nämlich war es zur Gewohnheit geworden, dass die Äbtissen des Fraumünsters die Münzprägung regelmäßig an Zürcher Ratsmitglieder verpachteten, so dass die Stadt darauf einen entscheidenden Einfluss nehmen konnte.

Vor 1335 dürfte sich nun der Rat der Stadt entschlossen haben, die Münzverschlechterung wieder aufzuheben und einen Währungsschnitt zu machen. Die schlechten Münzen brachten der Stadt zwar einen größeren Schlagschatz ein, wurden aber in anderen Städten nicht gerne genommen. So kehrte der Rat zum ursprünglichen Gewicht und Silbergehalt der Münzen zurück. Wer alte gegen neue Zürcher Pfennige tauschte, erhielt für zwei alte nur einen neuen Pfennig. Damit verloren alle, die Bargeld in Zürcher Pfennigen im Hause hatten, die Hälfte ihres Besitzes. Großkaufleute, die ihr Geld eher in Gold- und Großsilbermünzen aufbewahrten, hatten kaum einen Schaden. Die Währungsreform traf vor allem die kleinen Handwerker. Kein Wunder, dass der Zorn über das Stadtgouvernement groß war, so dass Rudolf Brun nur ein Jahr später mit Hilfe vor allem der durch dieses Münzedikt geschädigten Schichten, seine neue Zunftverfassung durchsetzen konnte. Und selbstverständlich nahm das neue Stadtregiment sofort das Münzrecht unter seine Aufsicht.

In der nächsten Folge hören wir, was es mit Rudolf Brun genau auf sich hatte und wieso Adelige Geld verdienen mussten.
 
Alle anderen Folgen der Serie finden Sie hier.

Die Texte und Zeichnungen entstammen der Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung im MoneyMuseum Zürich. Vertonte Auszüge sind als Video hier erhältlich.