Wozu produzierten die keltischen Iceni ihr Geld?

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von Ursula Kampmann

25. Januar 2018 – Sie werden in der MünzenWoche nur wenige Artikel über keltische Münzen finden. Nicht etwa, weil ich das Thema nicht spannend fände, sondern weil mir so wenig einfällt, was ich darüber schreiben könnte. Dies hat sich zumindest für den Stamm der Iceni wesentlich geändert, nachdem ich John Talbots inspirierendes Buch gelesen habe.

John Talbot, Made for trade. A new view of Icenian coinage. Oxbow, Oxford/Philadelpia 2017. 254 S. mit durchgängigen Abbildungen in Schwarz-Weiß und Farbe, 22,2 x 28,8 cm. Hardcover, ISBN: 9781785708121. 55 GBP.

Die Iceni waren ein keltischer Stamm, der seinen Schwerpunkt im heutigen Norfolk, Suffolk und Cambridgeshire hatte. Sie sind vielen Freunden der englischen Geschichte ein bisschen bekannter als die anderen britischen Stämme, weil nach dem Tod ihres Königs Prasutagus, der mit den Römern verbündet war, dessen Witwe Boudica ihren berühmten Aufstand begann.

Dank der vorbildlichen Arbeit des Portable Antiquities Scheme kennen wir die Münztypen, die hauptsächlich auf dem Gebiet der Iceni gefunden wurden. John Talbot hat sich mittlerweile mehr als ein Jahrzehnt lang mit ihnen beschäftigt und seine Zwischenergebnisse in vielen Artikeln veröffentlicht. Er teilt das Material unter drei verschiedene Münzstätten auf und ordnet es in eine Chronologie. Er forscht nach den Gründen und Vorbildern, die zu einer Entwicklung einer eigenen icenischen Münzprägung geführt haben, um dann ausführlich und im Detail die von ihm definierten Münztypen zu beschreiben, einzuordnen und zu datieren. Mit vielen Karten und sorgfältig ausgewählten, außergewöhnlich gut erhaltenen Münzen illustriert er seine Erläuterungen. Und natürlich interpretiert er auch die Horte und Einzelfunde, in denen sich Münzen der Iceni befanden.

Mit der umfassenden Stempelstudie, auf der Talbots Forschungen beruhen, geht der Autor einen völlig neuen Weg. Vergessen Sie alles, was Sie über Stempelstudien antiker Münzen wissen! Talbot liefert keinen umfangreichen Katalog, in dem er alle ihm bekannten Münzen nach numismatischen Kriterien auflistet. Es gibt stattdessen auf 53 Tafeln eine fotographische Zusammenfassung. Diese ist optisch intuitiv sehr gut begreifbar und illustriert wahrscheinlich besser als eine Auflistung von zufällig erhalten gebliebenen Exemplaren, welche der Emissionen umfangreicher und welche kleiner war.
Es verwundert nicht, dass ausgerechnet eine britische Publikation einen so innovativen Weg geht, um eine Stempelstudie darzustellen. Dank des Portable Antiquities Scheme haben unsere Kollegen dort so einen Überfluss an Material – Talbot sichtete für seine Studie mehr als 10.000(!) Münzen – und leicht zugänglichen Fotos, dass sie nicht am einzelnen Exemplar kleben, sondern versuchen, einen Überblick zu gewinnen. Und dies ist Talbot mit seiner Stempelstudie wunderbar gelungen.

Wo nun andere Bücher aufhören würden, fängt John Talbot erst an. Er untersucht das Material, ob es sich zu einem festen Münzsystem zusammenfügt, also ob die Legierung der Stücke konstant ist und die Gewichte miteinander in einem leicht verständlichen Zusammenhang stehen. Er behandelt die Münzbilder und weist nach, dass nach einer Phase des wilden Experimentierens allmählich eine Standardisierung der Darstellungen einsetzt, die einen Hinweis darauf liefert, dass die Münzen in großen Mengen produziert wurden. 

Höhepunkt seines Buches ist das letzte Kapitel, das er bescheiden „Conclusions“ nennt. Darin versucht er nicht weniger, als einen neuen Blick auf die Münzprägung der Iceni zu eröffnen. Er fragt sich, für welchen Zweck die Iceni ihre Münzen prägten und welche politischen Authoritäten als Herausgeber der Münzen fungierten. Mit anderen Worten: Waren es Händler, in deren Auftrag Metall zu Münzen geprägt wurden? Oder müssen wir einen König (bzw. eine Königin) als Prägeherrn sehen? Schließlich endete die Münzprägung mit dem Aufstand der Boudicca.

Es sind keine endgültigen Antworten, die John Talbot mit seinem Buch über die Münzen der Iceni gibt. Es ist viel mehr. Er formuliert die Fragen neu, die sich für die keltischen Stämme auf Grund der Münzprägung irgendwann werden beantworten lassen. Sein Buch ist wesentlich mehr als ein weiterer Katalog zum Bestimmen von Münzen. (Das ist er auch. Es ist ein neues Standardwerk, dass ein ernsthafter Münzhändler in Zukunft wird zitieren müssen!) „Made for Trade – A New View of Icenian Coinage“ ist ein Denkanstoß, der zum Kern der antiken Wirtschaftsgeschichte vordringt: Welche Rolle spielten Münzen bei den wirtschaftlichen Transaktionen, und vor welchem sozialen Hintergrund entstanden sie?

Hier können Sie John Talbots Buch bestellen. Es ist bei Oxbox derzeit für einen Sonderpreis erhältlich.