Die Frauen der Seleukiden

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von Ursula Kampmann

27. Oktober 2016 – Es war die Darstellung auf dem Titelblatt, die mich veranlasste, mir die Dokumentation der Tagung „Seleukid Royal Women“ zu bestellen. Abgebildet war eine Münze, die auf ihrer Vorderseite Alexander Balas und seine Gattin zeigt, deren Namen ich natürlich wieder einmal vergessen hatte. Traditionell stößt man ja eher selten auf die Namen der Königinnen bei den Historikern … Nichtsdestotrotz muss diese Frau – Kleopatra Thea, für alle, denen ihr Name wie mir entfallen ist – eine wichtige Rolle im Herrschaftskonzept ihres Mannes gespielt haben. Anders kann man es sich nicht erklären, dass sie ihren Weg ins Münzbild gefunden hat. Worin diese Rolle bestand und wie sie sich in der Periode nach dem Tod Alexanders des Großen entwickelte, davon handeln die verschiedenen Aufsätze dieser Publikation aus dem Verlag Franz Steiner, von denen viele auch für den Numismatiker interessant sind. Jedenfalls für den Numismatiker, den bei einer Münze nicht nur Seltenheit, Erhaltung und Preis, sondern auch der historische Hintergrund interessiert.

Seleukid Royal Women. Creation, Representation and Distortion of Hellenistic Queenship in the Seleukid Empire. A. Coskun und A. McAuley (Hg.). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2016. 322 S. mit einigen sw Abb. Kartoniert, Fadenbindung. 17,5 x 24,5 cm. ISBN 978-3-515-11295-6. 62 Euro.

Denn obwohl wir für die hellenistische Periode zahlreiche schriftliche und epigraphische Quellen besitzen, ist die Numismatik als Quelle für diese Epoche ausnehmend wichtig, und tatsächlich stützen sich drei der zwölf Beiträge des Sammelbandes vor allem auf numismatische Zeugnisse.

Gegliedert ist die Aufsatzsammlung in vier Teile. Zunächst führen die Herausgeber ins Thema ein und Hans Beck steckt mit seinem Blick auf adlige Frauen in China, Rom und Dazwischen sozusagen den Rahmen ab.

Denn der zweite Teil greift die erste Phase der Seleukiden auf, als die Rolle einer seleukidischen Basilissa an der Seite des Basileus erst geschaffen wurde. Er kreist um Apame und Stratonike, um die Iranerin, die Seleukos in der Massenhochzeit von Susa auf Befehl Alexanders heiratete, und um Stratonike, Tochter von Demetrios Poliorketes und Enkelin des Antipatros.
Ann-Cathrin Harders macht den Anfang. Sie analysiert, wie Seleukos I. die beiden Königinnen installierte, wie die Öffentlichkeit auf sie reagierte, und was wir über das Handeln Apames und Stratonikes wissen.
David Engels und Kyle Erickson zeigen, welch bedeutende Rolle die beiden Königinnen für die Entwicklung der seleukidischen Ideologie spielten. Hier kommt die Numismatik ins Spiel. Die Autoren bringen das Erscheinen der Artemis als Lenkerin einer Elefantenbiga auf äußerst seltenen Goldstateren des Seleukos I. mit der Person von Stratonike in Verbindung. Zeus würde ihrer Deutung nach im Münzbild für Seleukos stehen, Apollo für Antiochos und Artemis eben für Stratonike.
Eran Almagor interpretiert eine merkwürdige Geschichte, die uns bei mehreren Autoren überliefert ist: Stratonike sollte eigentlich Seleukos selbst heiraten. Doch als der Sohn Antiochos sich in sie verliebte, trat der Vater sie ihm weise ab. Almagor schlägt vor, dass Seleukos damit einem achämenidischen Brauch folgte, der mit der Übergabe einer Frau den Sohn als Nachfolger bestätigte.
Gillian Ramsey schließt den ersten Teil mit einer Studie ab, wie Apame und Stratonike sich selbst der griechischen Öffentlichkeit präsentierten.

Der dritte Teil beschäftigt sich mit zwei späteren Herrscherinnen, nämlich mit Laodike I., die von einigen Autoren für den Ausbruch des dritten syrischen Kriegs verantwortlich gemacht wurde und deren schlechtes Image Altay Coskun ins rechte Licht rückt, während Brett Bartlett sich mit dem Schicksal der Kleopatra Tryphaina beschäftigt, also mit der Schwester-Gattin von Antiochos VIII.
Wichtig für die Numismatik ist der letzte Beitrag dieses Teils, in dem Sheila Ager und Creig Hardiman nach den Porträts der weiblichen Seleukiden fragen. Natürlich spielt die Numismatik dabei eine wichtige Rolle, aber auch epigraphische Zeugnisse werden herangezogen.

Der vierte Teil wirft einen Blick in die Nachbarschaft, nach Kyrene (Alex McAuley), Kommagene (Rolf Strootman) und zu den Hasmonäern (Julia Wilker). Von numismatischem Interesse ist der Beitrag von Richard Wenghofer und Del John Houle, die sich mit der Heiratsdiplomatie der Seleukiden und einigen graeco-baktrischen Prägungen beschäftigen.
Adrian Dumitru stellt Kleopatra Selene in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Wir kennen die Königin lediglich von drei Bronzenominalen. Doch der Autor versorgt uns mit einer Tabelle, in der er die traditionellen Herrschaftszeiten der späten Seleukiden mit den neuen, durch Münzdatierungen abgeänderten Herrschaftszeiten gegenüberstellt.
 
Alles in allem ist dieser Band kein absolutes Muss für jede numismatische Bibliothek, aber die Spezialsammler von seleukidischen Münzen sollten seinen Erwerb unbedingt in Betracht ziehen. Sie werden nicht nur mit aktueller Forschung versorgt, sondern erfahren darüber hinaus viel über Themen, zu denen es bisher fast keine Literatur gibt.

Sie können das Buch direkt über den Steiner Verlag bestellen.

Es ist übrigens auch als eBook erhältlich.