Goldschatz unter Theater in Como gefunden

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von Björn Schöpe

27. September 2018 – Das alte Theatergebäude wäre sicher früher abgerissen worden, hätte man gewusst, auf welchem Schatz es stand. Comos früheres Theater Cressoni war schon lange nicht mehr im Betrieb, selbst die Zweitnutzung als Kino lag einige Jahre zurück.

Unter dem ehemaligen Theater Cressoni in Como fanden Arbeiter ein antikes Specksteingefäß mit Goldmünzen. Foto: Ufficio Stampa Ministero Beni Culturali.

Doch kaum hatten die Arbeiten begonnen, war schon wieder Schluss. Grund dafür war ein spektakulärer Schatzfund.

Durch einen Riss konnte man den wertvollen Inhalt erkennen: Hunderte von spätantiken Solidi. Foto: Ufficio Stampa Ministero Beni Culturali.

300 Solidi

Anfang September 2018 stießen die Arbeiter im Erdreich auf ein ungewöhnliches Gefäß aus Speckstein, dessen Riss den Blick auf seinen wertvollen Inhalt freigab: Goldmünzen. Die Bauarbeiten wurden vorerst gestoppt, die zuständige Denkmalbehörde sicherte den Fund, zu dem noch ein Goldbarren in einem weiteren Gefäß hinzukam. Die Objekte wurden zur weiteren Analyse in ein Restaurierungslabor in Mailand verbracht.
In einer Pressekonferenz stellte die Behörde den Fund vor und wagte erste Deutungen. So soll es sich bei den Fundobjekten um etwa 300 spätantike Goldmünzen und einen Goldbarren handeln. Die Goldmünzen waren in einem Specksteingefäß ungewöhnlicher Form gelagert und zwar, wie Medien die zuständige Numismatikerin Maria Grazia Facchinetti zitieren, „einst in Rollen gestapelt, ähnlich wie man es heute von Kleingeldrollen kennt“.

Offenbar hatte man die Münzen seinerzeit gewissenhaft in Rollen gestapelt. Foto: Ufficio Stampa Ministero Beni Culturali.

Die Solidi seien geprägt worden von den Kaisern Valentinian III. (reg. 425-455), Leo I. (reg. 457-474) und Libius Severus (reg. 461-465) und außergewöhnlich gut erhalten. Es könnte sich um das Depot einer Institution gehandelt haben, das Ende des 5. Jahrhunderts der Erde anvertraut wurde. Schnell verbreiteten italienische Medien die Meldung, der Fund sei von unschätzbarem Wert oder doch zumindest mehrere Millionen wert.

Neben Münzen des weströmischen Kaisers Valentinian III. und seines späteren oströmischen Kollegen Leo I. enthält der Hort auch besonders seltene Stücke: Solidi des Libius Severus, der nur vier Jahre in Rom regierte. Foto: Ufficio Stampa Ministero Beni Culturali.

Marktwert vs. Erkenntnisgewinn

Zwar steht die genaue Fundanalyse noch aus, aber gehen wir einmal von Erfahrungswerten aus. Offenbar liegen sämtliche Solidi in vorzüglicher Erhaltung vor. Die teuersten Stücke dürften die seltenen Prägungen des Libius Severus sein, die man mit etwa 10.000 Euro pro Münze veranschlagen kann, die aber vermutlich einen zahlenmäßig geringeren Anteil ausmachen. Vergleichbare Solidi Leos I. kann man im Handel für 500 Euro kaufen, perfekte Solidi des Valentinian III. für 1.200 bis 1.500 Euro. Seien wir großzügig, rechnen wir, dass 10 % des Hortfundes aus Prägungen des Libius Severus besteht. Bei dieser Annahme kommen wir für den Marktwert des gesamten Horts auf etwas über eine halbe Million. Verkaufswert wohlgemerkt!
In Ländern, in denen Hortfunde an den Münzhandel verkauft werden dürfen, geht man von ca. der Hälfte bis Zweidrittel des Verkaufswerts als Ankaufswert aus. Damit läge ein reeller Preis für den Hort nicht bei einigen Millionen, sondern irgendwo zwischen 250.000 und 350.000 Euro. Dies ist übrigens relativ viel. Nur selten werden in Europa Hortfunde entdeckt, die einen so hohen Marktwert haben.
Und wenn die Münzen des Libius Severus doch den Großteil des Schatzes ausmachen? Dann würde der Preis dieser Münzen drastisch einbrechen. Und natürlich muss man bei einem Marktwert auch einkalkulieren, dass ein potentieller Verkäufer diese Menge Münzen nicht sofort abstoßen könnte.
Davon völlig unberührt bleibt natürlich die Frage nach dem wissenschaftlichen Wert des Fundes. Und hier müssen wir abwarten, was die weiteren Nachforschungen ergeben.

Die Plünderung Roms durch die Vandalen unter Geiserich 455 n. Chr. (hier in einer reichlich fantasievollen Ausgestaltung aus dem 19. Jahrhundert) zeigte, dass die Kaiser Italien nicht mehr schützen konnten. Damals relativ sichere Anlagen in Form von vergrabenen Münzen empfahlen sich für wohlhabende Römer.

Die mächtige Flotte von Comum Novum

Die Zusammensetzung des Schatzes führt die komplizierte historische Situation vor Augen: Valentinian III. entstammte der Dynastie des Theodosius und blieb daher lange Zeit ein wichtiger Anknüpfungspunkt für spätere Kaiser. Leo I. herrschte über Byzanz und galt als solcher in den Wirren des Westens als einzige unumschränkt anerkannte Autorität. Ostrom segnete im 5. und 6. Jahrhundert die Entscheidungen im Westen ab. Und diese Entscheidungen trafen meist nicht die Kaiser Roms, die selbst kaum mehr waren als gefügige Marionetten in den Händen politisch geschickt hantierender Strippenzieher, die sich mit dem Titel „Heermeister“ begnügten. Eine solche Marionette war auch Libius Severus, der nach mehreren Jahren allerdings entweder früh verstarb, oder von seinem gotischen Heerführer Ricimer beseitigt wurde.
Während die „guten Barbaren“ die Kaiser kontrollierten und die Soldaten stellten, fielen die anderen Barbaren über die Grenzen ein. Eines der wichtigsten Bollwerke in Italiens Norden war die Flotte von Comum Novum, am Ort des heutigen Como, am Comer See. Sie sollte die Handelswege über die Wasserstraßen sichern. Und dort lagen auch Villen der reichen Oberschicht. Weitere Grabungen könnten klären, ob der Hortfund einem Aristokraten der Gegend zuzuschreiben ist.

Das Verschwinden der Geldwirtschaft

Politische Unruhe bedeuteten nicht nur wirtschaftliche Unsicherheit, sondern auch eine Rückkehr zur Selbstversorgung. Wer nicht weiß, ob auf dem Markt Vorräte zum Kauf stehen werden, baut im eigenen Gärtchen wieder Nahrungsmittel an. Bzw. er zieht sich auf seine Villa zurück, auf der alle Güter des täglichen Bedarfs erzeugt werden.
Die Völkerwanderung beendete die fortschrittliche Geldwirtschaft des römischen Reichs. Sie machte die Münze wieder zum Ausnahmeobjekt, das nur noch für große Zahlungen benutzt wurde – oder in dem man seinen Reichtum horten konnte, wie es unser Römer mit dem Schatz von Como getan hat.

Über den Schatzfund berichtete in Deutschland zum Beispiel Die Welt.

In den Niederlanden fanden Sondengänger einen Hort von 20 Solidi aus dem 4. Jahrhundert. Wir berichteten.

Einen weiteren großen Solidi-Fund machten ebenfalls Sondengänger in Großbritannien vor mehreren Jahren.