Der coolste Briefmarkensammler aller Zeiten: John Lennon

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von Björn Schöpe

18. Oktober 2018 – „Haben Sie irgendein Hobby?“ fragt eine Reporterin John Lennon im legendären Beatles-Film von 1964 „A Hard Day’s Night“. Verschwörerisch kritzelt Lennon ein Wort auf einen Notizblock, der Dame verschlägt es den Atem. Ich habe mich immer gefragt, was auf dem Blatt stand. Vielleicht die Wahrheit: Briefmarkensammeln.

Die Titelseite des Merkuralbums von John Lennon. Courtesy Smithsonian’s National Postal Museum.

Wer würde heute vermuten, dass John Lennon sich in seiner Kindheit für Briefmarken interessierte? W. Wilson Hulme, der mittlerweile verstorbene Kurator im National Post Museum des Smithsonian in Washington, gestand vor ein paar Jahren: „Manche Leute meinen ja, Briefmarkensammeln sei nicht cool. Jetzt müssen sie darüber vielleicht noch einmal nachdenken. Cooler als John Lennon geht es einfach nicht.“ Hulme wusste, wovon er sprach, denn er hatte Lennons Briefmarkensammlung 2005 für sein Museum gekauft. Jetzt wird das Album zusammen mit anderen Exponaten bis 3. Februar 2019 in Washington ausgestellt.

Das Vorsatzblatt in John Lennons Album enthält einige Angaben, die noch nicht entschlüsselt sind. Smithsonian’s National Postal Museum.

John Lennon und Briefmarkensammeln, wie passt das zusammen? Lennon wuchs bei seiner Tante Mimi auf, sein Cousin Stanley Parks war für ihn wie ein großer Bruder. Und so gab Stanley dem kleinen John alles mögliche weiter, seine 300 Spielzeugautos – und sein grünes Briefmarkenalbum mit dem Merkurkopf darauf. John radierte den Namen seines Cousins gleich aus und trug seinen eigenen mit Adresse ein, das legendäre Haus 251 Menlove Avenue in Liverpool, genannt Mendips.

Bei aller Liebe zu Briefmarken – wirklichen Respekt für die Porträts von Regenten entwickelte der junge John damals keinen. Smithsonian’s National Postal Museum.

Auch zeigte sich bereits ein aufmüpfiger Zug in John, der ihm zeit seines Lebens erhalten blieb: Gleich auf der ersten Seite verzierte er den bartlosen König Georg VI. mit einem Vollbart à la Rübezahl!

Besonders Marken aus Neuseeland sammelte der junge John. Grund dafür waren die zahlreichen Verwandten auf der anderen Seite des Globus, mit denen seine Tante intensiv korrespondierte. Smithsonian’s National Postal Museum.

Vor allem Briefmarken aus Neuseeland finden wir in dem Album. Der Grund dafür ist einfach: Dort wohnten viele Verwandte, mit denen Tante Mimi eine rege Korrespondenz führte – zu Zeiten, in denen Gespräche auf die andere Erdkugel ein kleines Vermögen kosteten und Whatsapp noch nicht erfunden war. Die Farbe der Marken war für den jungen Sammler wohl ein wichtigeres Sammelkriterium als ihr Seltenheitswert. Nicht ungewöhnlich, wie Kurator Hulme meinte.

Aber auch die britischen Seiten sind gut gefüllt. Über Jahre kaufte und tauschte John Lennon Briefmarken. Smithsonian’s National Postal Museum.

Damals war John Lennon neun oder zehn Jahre alt, wie sein Counsin Parks 2005 in einem Brief an das Smithsonian schrieb. Über Jahre klebte er fleißig seine Marken ein und notierte offenbar auch den Stand auf der ersten Seite. Für uns sind die Nummern rätselhaft. Auf den 150 Seiten des Buchs mit den vergilbten Seiten zählen wir 565 Marken. Auf dem Vorsatzblatt ist die Zahl 800 durchgestrichen, darunter steht 657. Wollte John auf die runde Zahl 800 kommen? Entfernte er nach der letzten Zählung noch Dutzende Stücke?
1956 verlor die Philatelie ihren Jünger an einen übermächtigen Konkurrenten – den Rock ’n’ Roll. John Lennon gründete seine erste Band, The Quarrymen, und ließ das grüne Merkurbuch in seinem Kinderzimmer zurück. Der Rest ist Musikgeschichte.

In „Mendips“, dem Haus in 251 Menlove Avenue in Liverpool, wuchs John Lennon auf, schrieb sogar noch erste Beatles-Songs – und pflegte sein Kindheitshobby, die Philatelie. Foto: Havaska / CC BY-SA 3.0

Die weitere Geschichte des Albums ist weniger klar. Das Haus, in dem der Beatle seine Kindheit verbrachte, kaufte seine spätere Ehefrau Yoko Ono 2002 und schenkte es dem National Trust. Zunächst bei Christie’s tauchte dann die Sammlung auf, 2004 erstand der Philatelie-Spezialist Stanley Gibbons das Büchlein und bot es für umgerechnet 50.000 Dollar an.
Kurator Hulme griff zu. Ihm war klar, welche Chance sich bot: „Heute kommen immer weniger junge Leute zu diesem Hobby. Wir sind sehr daran interessiert, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Das ist einer der Gründe, warum wir es so auf diese Sammlung abgesehen hatten.“
Da das Auktionshaus wenig Angaben zur Herkunft machen konnte, recherchierte Hulme auf eigene Faust und ließ sich von Lennons Cousin bestätigen, dass es sich um dessen altes Album handelte, das er einst John geschenkt hatte.
Stanley Parks konnte auch erklären, warum Briefmarkensammeln in Zeiten vor Google Maps so beliebt war: „Durch Briefmarkensammeln wurde man in der Schule besser im Geografieunterricht.“ In der Tat sprechen Lennons Kenntnisse auf dem Gebiet für sich. In dem oben zitierten Film fragt ein Reporter: „Wie fanden Sie Amerika?“ Lennon: „Nach Grönland, dann links ab.“ Cooler geht es kaum. Wenn das kein Grund für die Jugend ist, wieder Marken zu sammeln.

Zur Ausstellung können Sie sich auf der Seite des National Postal Museum informieren.

Auf Youtube finden Sie auch den Trailer zu „A Hard Day’s Night“ (der „Geografie-Kommentar“ bei: 0:48).

Und wenn Sie jetzt auch gleich mehr über Briefmarken lernen möchten, dann besuchen Sie mal die Seite der Deutschen Briefmarken Zeitung.